Trübe Tage, trübe Gedanken: Licht hilft gegen Winterblues

München (dpa/tmn) - Wo ist der Tag geblieben? Morgens auf dem Weg zur Arbeit ist es noch dunkel, auf dem Heimweg hat sich das Tageslicht schon wieder verabschiedet. Es ist kalt, nass, neblig - Herbst und Winter sind nicht die Stimmungskanonen unter den Jahreszeiten.

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Das schlägt vielen aufs Gemüt.

Herbstmelancholie, Winterblues: Das Phänomen hat verschiedene Namen - und ist eigentlich ganz normal im Lauf der Jahreszeiten, sagt Till Roenneberg, der als Professor für Chronobiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München die innere Uhr des Menschen untersucht.

Der Lebensrhythmus ändert sich, wenn die Tage kürzer werden. Wir sind weniger aktiv und möglicherweise nicht ganz so gut drauf. „Diese etwas melancholischere Stimmung zu akzeptieren, fällt vielen Menschen schwer. Wir gestehen uns nicht mehr zu, dass unsere Stimmung im Jahreslauf schwankt“, sagt Roenneberg.

Ist es dunkel, produziert der Körper Melatonin, ein Hormon, das müde macht. Licht dagegen unterdrückt die Melatonin-Ausschüttung. Wird es nun an trüben Wintertagen morgens nicht so richtig hell und spielt sich das Leben vor allem im Haus ab, tut Melatonin auch tagsüber seine Wirkung.

„Weniger Tageslicht bringt uns in eine Art Winterschlaf“, sagt Schlafforscher Prof. Jürgen Zulley aus Regensburg. Unsere urzeitlichen Vorfahren passten ihre Lebensweise noch an die Jahreszeiten an. „Wir leben dagegen fast im gleichen Rhythmus weiter“, sagt Zulley. Und sind genervt, weil wir ständig müde sind.

Viel Licht weckt die Lebensgeister aber auch wieder. Sich an der frischen Luft zu bewegen und jeden Tag mindestens eine halbe Stunde rauszugehen, sei das beste Mittel gegen trübe Herbstgedanken, sagt Zulley. Es muss gar nicht sonnig sein, selbst ein verhangener Tag bietet genug Licht, um die Melatoninproduktion zu bremsen. Denn auch wenn das Auge kaum Unterschiede wahrnimmt, bekommt es draußen um ein Vielfaches mehr Licht ab als im Zimmer, betont Zulley.

Auf diesem Effekt basiert auch die Wirkung von sogenannten Tageslichtlampen oder Lichtduschen. „Sie wirken aktivierend und können die Stimmung heben“, sagt der Schlafforscher. Allerdings müssen sie hell genug sein: Mindestens 3000 Lux sollten es sein, noch besser sind 10 000 Lux. Der Blick sollte sich direkt in die Lampe richten, denn die Strahlung wird über die Netzhaut aufgenommen.

Halten gedrückte Stimmung, Antriebsstörung und Hoffnungslosigkeit länger als zwei Wochen an, kann eine Unterform der Depression dahinterstecken: Die Saisonal Abhängige Depression (SAD), tritt in den Herbst- und Wintermonaten auf. „Diese spezielle Unterform ist aber vergleichsweise selten“, sagt Prof. Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Bei der Behandlung habe sich die Lichttherapie bewährt - doch ob sie im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist und ausreicht, muss der Arzt entscheiden: Von jeder Form der Selbstbehandlung bei Depression rät Hegerl ab: „Dazu ist diese Erkrankung zu schwer und zu gefährlich.“

Er betont aber auch: Längst nicht jede traurige Phase in der dunklen Jahreszeit ist eine Depression. Melancholische Stimmungen, Trauer und Sorgen gehörten zum Leben dazu. Und können ihr Gutes haben, sagt Roenneberg: „Wir sollten akzeptieren, dass wir schlapper sind und mehr Ruhe brauchen.“ Und statt der Betriebsamkeit im Sommer mal die Füße hochlegen „und dann voller Energie wieder ins Frühjahr starten“.

Literatur:

Hubertus Himmerich: Winterblues. Das Wohlfühlbuch gegen die Herbst- und Winterdepression, Kreuz Verlag, 14,99 Euro, ISBN-13: 978-3451612602.