Urteil: Winzer dürfen nicht für „bekömmlichen“ Wein werben
Luxemburg (dpa) - Wenn Winzer ihre Weine bei der Vermarktung als „bekömmlich“ bezeichnen, verweisen sie eigentlich auf die „sanfte“ Säure. Da der Werbeslogan als gesundheitsbezogene Angabe verstanden werden kann, wurde er vom Europäischen Gerichtshof verboten.
Winzer dürfen nicht für „bekömmlichen“ Wein werben. Nach einem EU-Urteil sind Werbeslogans wie „sanfte Säure“, „Edition Mild“ oder „bekömmlich“ für Wein verboten. Dies sei eine gesundheitsbezogene Angabe, die auf den geringen Säuregehalt und die leichtere Verdauung hinweise, aber die Gefahren beim Trinken von Alkohol verschweige, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (Rechtssache C-544/10). Zum Schutz der Verbraucher dürften Hersteller weder auf dem Etikett noch in der Werbung solche Begriffe verwenden.
Damit verboten die Richter die Werbung der Winzergenossenschaft Deutsches Weintor aus der Pfalz. Weintor vermarktet seine Weine der Rebsorten Dornfelder und Grauer/Weißer Burgunder mit dem Wort „bekömmlich“. Die Halsschleife der Weinflaschen trägt den Aufdruck „Edition Mild bekömmlich“. Auf dem Etikett heißt es: „Zum milden Genuss wird er durch Anwendung unseres besonderen (..) Schonverfahrens zur biologischen Säurereduzierung.“
Die Behörden in Rheinland-Pfalz hatten dies beanstandet und bekamen nun vor Gericht Recht. Das EU-Recht verbietet grundsätzlich für Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol - also auch für Wein - jede Angabe, die eine Verbesserung des Gesundheitszustands suggeriert. Damit will der Gesetzgeber die Verbraucher vor übermäßigem Alkoholkonsum schützen.
Die rheinland-pfälzische Weinbauministerin Ulrike Höfken (Grüne) begrüßte das Urteil. „Wir wollen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführenden Angaben geschützt werden“, sagte sie mit Blick auf das Missbrauchsrisiko bei alkoholischen Getränken.
Der geschäftsführende Vorstand der Winzergenossenschaft Deutsches Weintor, Jürgen Grallath, bedauerte dagegen das Urteil. „Aus unserer Sicht handelt es sich bei dem Begriff "bekömmlich" nicht um eine gesundheitsbezogene Angabe, sondern um eine bloße Beschreibung des Wohlbefindens beim Weingenuss. Wir wollen dem Verbraucher damit eine Orientierung beim Weinkauf geben.“
Das Deutsche Weininstitut in Mainz geht davon aus, dass nach dem Urteil ähnliche Begriffe ebenfalls aus der Werbung verschwinden werden. „Es war vermutlich der Versuch der Winzergenossenschaft, hier die Grenzen auszutesten und Rechtssicherheit zu schaffen“, sagte der Sprecher des Deutschen Weininstituts in Mainz, Ernst Büscher. „Bei Begriffen mit ähnlicher Tonalität könnte man sich nun denken, dass sie ebenfalls verboten sind.“ Jedoch sei die deutsche Sprache mit ihren Interpretationsspielräumen schwierig: „Im Grunde geht es um Einzelfallentscheidungen.“
Auch in dem Prozess hatte Deutsches Weintor argumentiert, das Wort „bekömmlich“ betreffe nur das allgemeine Wohlbefinden. Die Luxemburger Richter sahen das anders: Hersteller dürften nicht nur vorübergehende Auswirkungen des Weintrinkens beschreiben, sondern müssten die Folgen bei wiederholtem und langfristigem Konsum auf den körperlichen Zustand beachten.
„Verschwiegen wird, dass ungeachtet der guten Verdaulichkeit die mit dem Konsum alkoholischer Getränken zusammenhängenden Gefahren keineswegs beseitigt oder auch nur begrenzt werden“, schrieben die Richter in der Urteilsbegründung. Das „absolute Verbot“ solcher Angaben auf dem Weinetikett und in der Werbung sei daher nötig.
Weinbauministerin Höfken und Deutsches Weintor wiesen gleichermaßen darauf hin, dass der Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen sei. Das letzte Wort habe nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.