Veganer Handel: Nische mit Potenzial

Berlin (dpa) - Vegane Produkte werden immer beliebter. Kein Wunder, dass es inzwischen auch Supermärkte für derlei Produkte gibt. Deutschland hat im internationalen Vergleich aber noch einigen Nachholbedarf, sagen Fachleute.

Schnitzel aus Soja, Käseersatz ohne Kuhmilch, veganes Hundefutter: Der Handel mit Produkten ohne tierische Inhaltsstoffe fristet in Deutschland zwar immer noch ein Nischendasein. Doch gerade in Großstädten sind spezielle Supermärkte, Restaurants und Kleidergeschäfte keine Seltenheit mehr. Der Umsatz mit derlei Produkten wächst und Branchenexperten sehen darin großes Potenzial - nicht nur für die Spezialanbieter, sondern auch für den konventionellen Handel.

Nach Angaben der Veganen Gesellschaft Deutschland ernähren sich 800 000 Menschen in Deutschland vegan. 2011 lag der Jahresumsatz mit entsprechenden Produkten hierzulande bei rund 194 Millionen Euro, 2012 legte der Wert um mehr als 19 Prozent auf rund 232 Millionen Euro zu, wie aus Zahlen des Vereins hervorgeht. Zum Vergleich: Der Gesamtlebensmittelumsatz liegt dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels zufolge bei weit mehr als 100 Milliarden Euro.

Der Handel mit veganen Produkten ist damit nach wie vor ein Nischenmarkt, Experten sehen aber großes Potenzial: „Denn in veganen Supermärkten werden zumeist Markenprodukte verkauft. Hier könnten die großen Ketten und Discounter eine wichtige Rolle spielen und mit veganen Eigenmarken punkten“, sagt etwa Denise Klug vom Handelsinformationsdienst Planet Retail.

Zwar finden Kunden auch derzeit im Supermarkt um die Ecke viele vegane Produkte. Doch dabei handelt es sich meistens um einfache Lebensmittel wie Soja-Milch, Gemüsebuletten oder pflanzliche Aufstriche. Für mehr Auswahl oder spezielleren Bedarf ist in aller Regel der Gang ins Reformhaus, den Bioladen oder - wenn vorhanden - einen veganen Markt notwendig.

In Großstädten haben Kunden, die vegan einkaufen wollen, derzeit die besten Karten. In Berlin startete 2011 etwa der Supermarkt Veganz als nach eigenen Angaben erster veganer Vollsortiment-Supermarkt Europas. In der Hauptstadt gibt es inzwischen 2 Filialen, weitere Standorte haben in Hamburg und Frankfurt eröffnet. In diesem Jahr sollen noch Leipzig, München, Wien und Prag folgen. Bis Ende 2015 sollen es dann europaweit 21 Filialen sein. Neben den Alternativen zu tierischen Lebensmitteln hat das Unternehmen auch Waren des täglichen Bedarfs wie Putzmittel, Hygieneartikel und Tiernahrung ohne tierische Inhaltsstoffe im Angebot.

„Die wenigsten unserer Kunden sind Veganer. Viele wollen nicht nur Produkte, die frei von tierischen Inhaltsstoffen sind, sondern auch fair und ökologisch nachhaltig gehandelte Ware. Auch Bio allein geht vielen Verbrauchern nicht weit genug“, sagt Veganz-Geschäftsführer Jan Bredack.

Er räumt aber ein, dass Kunden in seinen Märkten im Schnitt auch tiefer in die Tasche greifen müssen: „Den Discount-Gedanken gibt es bei uns nicht. Grob gesagt muss man daher bei uns ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Preis im gewöhnlichen Supermarkt einkalkulieren.“ Bei Bio-Produkten ist es nach seinen Worten ein Plus von etwa 3 bis 5 Prozent. Für 2013 erwartet Bredack einen Umsatz von 6 Millionen Euro, 2015 soll er auf 30 Millionen Euro wachsen.

Auch wenn die Angebote für den veganen Einkauf vielfältiger werden, hat Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern einiges aufzuholen, wie Handelsexpertin Denise Klug findet. „Mit dem Handel von veganen Produkten sind unsere Nachbarländer - zum Beispiel die Niederlande und Belgien - schon viel weiter. Die Basics hat aber auch hierzulande inzwischen nahezu jeder Supermarkt im Angebot.“

Großen Nachholbedarf sieht die Expertin zum Beispiel bei der Kennzeichnung der Produkte. Manche vegane Artikel sind nach ihrer Beobachtung nicht sofort als solche erkennbar. Ein Schild am Regal mit entsprechender Aufschrift könnte helfen, empfiehlt sie und ist damit nicht allein. So hatten die Verbraucherorganisation Foodwatch und Verbände von Vegetariern und Veganern im April bereits eine verbindliche Kennzeichnung „versteckter“ tierischer Zutaten in Lebensmitteln gefordert. Viele Kunden vermuteten etwa nicht, dass Säfte Gelatine als Trägerstoff für Vitamine enthalten könnten.

Dass vegane Produkte nicht nur für Spezialanbieter ein Thema sind, sondern auch die Discounter betreffen, zeigt das Beispiel des Bio-Soja-Drinks von Aldi Süd. Das Produkt war aus den Regalen genommen worden, was Kunden auf den Plan rief. Daraufhin entschied sich das Unternehmen, das Getränk wieder anzubieten und verkündete dies Anfang August auf Facebook.