Warum wir gerade an freien Tagen krank werden
Damit der Körper bei der Belastung im Job weiter funktioniert, werden die Beschwerden unterdrückt.
Düsseldorf. Erst der Stress im Job, dann der Trubel rund um Weihnachten: So mancher Berufstätige dürfte froh sein, wenn die Feiertage vorbei sind und der Urlaub noch weitergeht. Der Druck schwindet, man lässt es ruhig angehen. Doch dann kündigt sich eine Erkältung an.
Natürlich passiert das am Wochenende oder einem anderen freien Tag. „Typisch“, denkt mancher dann, „immer, wenn ich freihabe“. Diesen Eindruck teilen immer mehr Arbeitnehmer, berichten Psychologen, und Wissenschaftler nehmen das Phänomen ernst. Forscher der Universität Tilburg in den Niederlanden haben es „Leisure sickness“ genannt, zu Deutsch: „Freizeit-Krankheit“.
Dass Menschen krank werden, wenn sie sich entspannen, beobachten Psychologen seit Jahren. „Es ist auf jeden Fall ein Trend, gefühlt seit zehn Jahren“, erklärt der Psychotherapeut Andreas Soljan aus Düsseldorf. Er vertritt im Vorstand der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung Nordrhein rund 1100 Kollegen. Unter ihnen sei das Thema schon oft zur Sprache gekommen. Einig sind sich die Experten darin, dass die Menschen durch ständige Überlastung körperliche Probleme erst in Freizeitphasen wahrnehmen.
Soljan beschreibt, was bei andauerndem Stress vorgeht: „Der Körper passt sich den Lebensumständen an. Das heißt, dass er ständig Energie zuführt.“ Die Folge seien zum Beispiel ein höherer Blutdruck und ein höherer Ruhepuls. Auch die Leber, der Magen und der Darm litten unter der Dauerbelastung. „Erst wenn ich dann mal 14 Tage freihabe, bekomme ich mit, wie schlecht es mir geht“, erklärt der Experte.
Wie oft Arbeitnehmer sich aus dem Urlaub heraus krankmelden, wird nicht erhoben. Aber aus den Unternehmen werde der Trend bestätigt, sagt Marianne Giesert vom Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Die niederländischen Wissenschaftler, die dem Phänomen einen Namen gegeben haben, stellten fest, dass „Leisure sickness“ vor allem Menschen mit hohem Arbeitspensum und Verantwortungsgefühl betrifft. Psychologen machen auch Bewegungsmangel und einen hohen Medienkonsum für die „Freizeit-Krankheit“ verantwortlich.
„Menschen müssen wieder mehr Sorge dafür tragen, dass der Körper Entspannung findet“, meint Psychotherapeut Soljan. Allerdings sollte man analysieren, was wirklich gut tut. „Nicht bloß fernsehen“, rät der Experte. Stattdessen solle man lieber in Ruhe ein Bad nehmen, einen Tee trinken.
Soljan hält die Entwicklung des Phänomens „Leisure sickness“ für gravierend: „Wenn man den Prozess nicht unterbricht, kann es im schlechtesten Fall zu psychosomatischen Erkrankungen kommen“. Sprich irgendwann hat man Angst vor den freien Tagen.