Welches Schweinchen darf es sein? - Wurst mit Tierfoto
Berlin (dpa) - Wer auf der Website „Meine kleine Farm“ Wurst bestellt, weiß genau, welches Schwein dafür verarbeitet wurde: Am Fleisch hängt ein Foto des schwarz-gefleckten Tiers. Ziel dieser Aktion: die Käufer zu einem bewussten Konsum animieren.
Von der Website „Meine kleine Farm“ blicken dem Besucher muntere Ferkel entgegen. Schwein 2 hat helles Fell mit schwarzen Flecken und fühlt sich sichtlich wohl, während es mit seinen Artgenossen durch den Schlamm stapft oder abends neben ihnen liegt.
Darunter sind Fotos aufgeführt von Knoblauchmett, Leberwurst im Glas und Sülze. Neben einem Bild steht „Schlackwurst ähnelt Salami in Konsistenz und Geschmack - lecker!“ Das Stück von 500 bis 600 Gramm kostet 15 Euro plus Porto. Ein Mausklick, und die Wurst ist bestellt.
„Wer ein Schwein essen will, der muss auch bereit sein, es zu töten“, sagt Biobauer Bernd Schulz aus Brück, Ortsteil Gömnigk, im Kreis Potsdam-Mittelmark. Der Diplom-Agraringenieur liefert die Schweine für das Online-Projekt. „Man sieht, es hat glücklich gelebt“, meint er mit Blick auf ein Ferkelfoto. „Wir erfinden das Rad nicht neu“, sagt der Mittfünfziger, aber es seien Unterschiede zu sehen und zu schmecken zwischen seiner und der Supermarktwurst.
Zu DDR-Zeiten war Schulz Zuchtleiter einer ZGE (Zwischengenossenschaftlichen Einrichtung) mit mehreren tausend Sauen. Nach der Wende ging er ein halbes Jahr nach England und war später nach eigenen Angaben größter Ökoferkelproduzent Deutschlands: 5000 Ferkel, das sei nicht lange gut gegangen. Das Futter sei nicht so gut gewesen damals, der Bestand habe reduziert werden müssen - es folgten sehr harte Zeiten. Schließlich weilte er mehrere Wochen am Baikalsee, wo sein Vater früher einmal Kriegsgefangener war - „Der Baikal ist Balsam für die Seele, hat er gesagt.“ Und das stimme.
„Man muss sich der Tatsache stellen, dass wir von Jägern und Sammlern abstammen“, meint er. „Aber man muss auch Respekt und Ehrfurcht vor den Tieren haben und sich überlegen, die sterben jetzt für uns“, sagt Schulz, der Schlachtungen von Kind an kennt und nun auch Stadtmenschen die Zusammenhänge zeigen möchte.
Derzeit hat er 80 Zuchtsauen, die pro Jahr zusammen 1600 Ferkel werfen. 40 Tage werden die Ferkel von der Mutter gesäugt, dann kommen sie noch etwa 50 Tage in die Aufzuchtshütte und viele anschließend fünf bis sechs Monate zum Bio-Mäster. „Ein Teil bleibt hier in Freilandhaltung“, meint Schulz. Weil sie sich mehr bewegen, brauchen die Tiere wesentlich mehr Futter, auch das macht sie und ihr Fleisch teurer. Sein Hof ist einer von über 700 Biopark-Betrieben, zu deren Richtlinien Auslauf und betriebseigenes Futter gehören.
Eines Tages kommt der Berliner Student Dennis Buchman auf ihn zu, der Gründer von „Meiner kleinen Farm“. Er hatte die Idee für das Projekt im Rahmen seines Studiums bei der Humboldt-Viadrina School of Governance in Berlin. „Ich habe mir überlegt, dass der Mensch den Bezug zu seiner Nahrung verloren hat“, meint er. „So eine Wurst isst man so wie eine Mohrrübe, da denkt man nicht großartig drüber nach.“ Das Projekt solle zu einer neuen Wertschätzung führen.
Insbesondere unter Vegetariern ist die Farm jedoch umstritten. Für viele von ihnen ist auch dies Fleisch verwerflich, und sie drücken das in den Internetblogs der Farm deutlich aus. „ .hier können aber täter und opfer eindeutig zugeordnet werden. jede/r kann auswählen, welches leben ausgelöscht werden soll. mord ist demnach für viele ethisch vertretbar - warum auch nicht?!“, meint Tim. Bloggerin Katja schreibt etwas abwägender, es reiche nicht aus, nur Fleisch aus artgerechter Haltung zu essen. „Es muss auch insgesamt weniger Fleisch gegessen werden.“
Man könnte mit „Meiner kleinen Farm“ sicher den Fleischkonsum reduzieren, sagt Bauer Schulz. Das Projekt sei aber auch gut für seinen Betrieb. „Man hat mehr Aufmerksamkeit. Ich möchte ja die Berliner auch hier haben.“ Besonders stolz ist er auf seine Backschwein-Tenne, die seine Frau verwalte. Mehrmals im Jahr lädt er zum Backschwein-Braten in der Tenne. 50 bis 55 Menschen bekomme er mit einem Tier satt. „Meine Intention ist auch, dass Leute hierher kommen und die Schweine nicht nur im Internet betrachten.“