Welt-Alzheimer-Tag: Demenz-WG als ein Zukunftsmodell
Wie neun Frauen in einer Demenz-WG in Köln leben: Mit Besuch, Gesang und Betreuung.
Köln. Ergraute Damen plaudern über alte Zeiten, entsteinen dabei Pflaumen und stimmen gut gelaunt „Hoch auf dem gelben Wagen“ an. Die hochbetagten Bewohnerinnen leben in einer Demenz-WG in Köln. Sie alle leiden unter der unheilbaren Krankheit, die ihre Hirnzellen absterben und ihr Gedächtnis erlöschen lässt.
Keine von ihnen kommt noch alleine zurecht, Heim oder Unterbringung in der Familie waren für sie nicht denkbar. „Uns geht es doch gut hier“, sagt Ella Küllchen, die mit ihren über 80 Jahren zu den aktivsten unter den neun Frauen gehört. Sogar eine Delegation aus Japan war schon da, um sich das Kölner Wohnmodell anzuschauen.
Nicht nur hierzulande wird die Gesellschaft immer älter — und das Thema Demenz drängender. In Deutschland gelten rund 1,2 Millionen Menschen als dement, wie Experten zum Welt-Alzheimer-Tag am Mittwoch berichten. Die meisten leiden unter der häufigsten Demenz-Form Alzheimer.
Rund 75 Prozent werden Zuhause gepflegt, was für die Angehörigen eine Extrembelastung ist. „Das Interesse an dem System Demenz-WG wächst in Köln und anderen größeren Städten“, sagt Stephanie Jung von der Caritas, die mit ihrem Team in der Wohngemeinschaft angestellt ist und 24 Stunden am Tag nach dem Rechten sieht.
Die WGs ähneln dem häuslichen Umfeld und lassen Freiräume zu. „Es kostet weniger als ein Heimplatz, aber von den Angehörigen ist schon Einsatz gefragt“, weiß Jung. Gerade schaut Sabine Stein mit ihren Kindern rein. „Für meine Mutter ist es optimal hier, sie hat keine festen Essens- und Schlafenszeiten. Sie isst, was sie will und wann sie will.“
Während ihre Tochter Theresa (8) mit Oma im Wohnzimmer Ball spielt, wird in der Küche gesungen. Volkslieder aus der Kinderzeit, die — wie auch alte Erinnerungen — noch erstaunlich präsent sind, auch wenn die Demenz sonst fast alles verblassen lässt. Nur Helga Malangré sitzt schweigend dazwischen, bis Theresa fragt: „Darf ich dein Klavier benutzen?“ Und so sitzen die beiden am Piano der 84-Jährigen, die Klavierlehrerin war, aber heute nicht mehr aus eigenem Antrieb spielt. Jetzt aber geht es ohne Noten und fehlerfrei. Auch das ist ein Plus, ein offenes Haus mit Besuch, Impulsen von außen.
Der WG-Flachbau umfasst ein Zimmer pro Bewohnerin, drei Bäder und einen geräumigen Wohn- und Küchenbereich. Neben Jung sind tagsüber eine Krankenpflegerin und eine Haushaltskraft da. „Wir sind bemüht, Ressourcen zu erhalten und zu fördern, was die Damen noch können von früher“, sagt Pflegerin Marion Holl. Das kann etwa Kochen sein.
Alle Damen wissen, dass die Angehörigen, die zu Besuch sind, irgendwie zu ihnen gehören. Wo sie sich befinden, ist nicht allen klar. So glaubt Ella Küllchen, sie sei in Kur: „Wenn ich älter werde, könnte ich dann hier wohnen?“