Zu fett, zu groß: Die Weihnachtsgans lässt Federn
Regensburg (dpa) - Der Gänsebraten ist für viele Deutsche noch immer das traditionelle Weihnachtsgericht. Doch die Weihnachtsgans ist längst nicht mehr zeitgemäß, sagt Kulturwissenschaftler Hirschberger.
Gänse und Enten leben um die Weihnachtszeit gefährlich. Nach Angaben der Erzeuger werden rund 90 Prozent aller deutschen Gänse im November und Dezember gegessen. Und 2012 wurden 60 Prozent aller Enten im vierten Jahresquartal verkauft.
Doch Weihnachtsgans und Knusperente sind in unserer modernen Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß, meint der Regensburger Professor Gunther Hirschberger. Er erforschte weihnachtliche Kulinarik aus kulturwissenschaftlicher Perspektive.
„Wir erleben heute einen Wandel hin zur gesundheits- und leistungsbewussten Gesellschaft“, sagt der Professor. „Darin hat die fettige, sperrige Gans keinen Platz.“
Die Weihnachtsgans sei auch schwierig zuzubereiten, und in einer Gesellschaft mit mehr Singles werde das große Geflügel immer weniger gebraten. „Zudem kommt sie im ganzen auf den Tisch: Man sieht der Gans also an, dass sie ein Tier ist“, sagt Hirschberger. Nicht jeder möge das. „Die junge Generation schreckt vor der Gans zurück“, sagt der Forscher.
Die Tradition der Weihnachtgans kam erst in der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert auf. Gänse waren damals auf jedem Bauernhof selbstverständlich, sagt Hirschberger. „Sie wurde dann am ersten oder zweiten Weihnachtsfeiertag zubereitet. An Heiligabend selbst gab es dagegen eine karge Mahlzeit.“ Denn ursprünglich sei der Heiligabend kein Fest- sondern ein Fastentag gewesen.
Die gesamte Adventszeit galt seit dem 7. Jahrhundert - ähnlich wie die Tage vor Ostern - als Zeit des Fastens, der Stille und des Verzichts, sagt Hirschberger. Völlerei war da verpönt. „An Heiligabend kam stattdessen ein typisches Fastengericht wie Karpfen, Herings- oder Kartoffelsalat auf den Teller.“
Die Tradition zeigt sich noch heute. Würstchen mit Kartoffelsalat ist der Deutschen liebstes Essen an Heiligabend, fand das Marktforschungsinstitut GfK in Nürnberg vor einigen Jahren heraus. Jeder dritte Bundesbürger esse die einfache Mahlzeit am Vorabend des Weihnachtsfestes am liebsten. Nur jeder zehnte Deutsche gab an, am 24. Dezember Gans zu essen, jeder Fünfte esse gerne Karpfen.
„Einen einheitliche Weihnachtsspeise gibt es in Deutschland nicht, gab es noch nie“, sagt Kulturwissenschaftler Hirschberger. „Denn früher war Deutschland ein Flickenteppich an Kulturen.“ Daher gebe es auch heute noch von Region zu Region unterschiedliche Traditionen.
Doch ganz gleich welches Weihnachtsmenü, laut GfK verbindet die Deutschen an Weihnachten ein gemeinsames Essverhalten: 80 Prozent der Deutschen gaben an, an den Feiertagen „immer zu viel zu essen“.