Designmesse: Wie aus Unkraut ein Stuhl wird
Stuttgart (dpa) - Möbel aus Fichtenholz, Tassen aus Porzellan - langweiliger geht es kaum, haben sich Jungdesigner gedacht. Auf der Designmesse „Blickfang“ zeigen sie, dass es auch ganz anders geht.
Der Sachalin-Knöterich ist vielen Gärtnern der reinste Graus. Meterhoch wuchert er und verdrängt viele einheimische Pflanzen. „Ich bin wahrscheinlich der einzige, der sich über die Pflanze freut“, sagt Christian Reder. Er baut Stühle aus den Knöterichstengeln. Nach einem Jahr sind sie so stabil, dass der Selfmade-Möbelproduzent aus Bergrade in Mecklenburg-Vorpommern sie mit Holzmehl und Leim zu stabilen Einrichtungsgegenständen verarbeiten kann. Seine hellen Stühle sind löchrig, aber elegant.
Es ist nur eine von vielen ungewöhnlichen Kreationen, die seit Freitag (11. März) auf der Designmesse „Blickfang“ (11. bis 13. März) in Stuttgart zu sehen sind. Rund 200 Möbel-, Mode und Schmuckdesigner sind zu der Schau gekommen, die anschließend bei weiteren Stationen in Basel, Wien und Tokio zu sehen sein wird. „Wir könnten zweimal so viele Aussteller haben, so viele Bewerbungen gab es“, sagt Projektleiterin Katja Famulok. Freilich müssen viele Aussteller ihre Marktreife noch unter Beweis stellen. Viele Stücke werden aber auch direkt verkauft.
Knöterich-Verwerter Reder zum Beispiel ist Quereinsteiger und hat erst selten seine Möbelkreationen präsentiert. Ein echter Shootingstar ist die 33-jährige Maria Gustavsson aus dem schwedischen Malmö. Sie wurde von einer Kuratorin eigens für die Messe ausgewählt. Also packte sie ihre Ausstellungsstücke ins Auto und fuhr nach Schwaben. „Ich versuche, andere mit meinen Materialien und Ideen zu inspirieren“, sagt Gustavsson, setzt sich auf ihren Sessel aus Recycling-Sperrholz und legt ihre Füße auf eine Art Filz-Dackel.
Sie hat mittlerweile auch den Möbelriesen Ikea beraten. „Dieses Material wird eigentlich in Flüchtlingscamps verwendet“, erklärt sie mit Blick auf eine graue Bank. „Das ist "Concrete Canvas"“, erklärt sie. Das Canvas-Gewebe in Verbindung mit Beton muss nur mit Wasser bespritzt werden und wird dann hart.
Ökologisches Design kann auch für einen Rock eingesetzt werden, sagt der Österreicher Hans Koszednar, der gemeinsam mit seiner Schwester das Label „Anzüglich“ betreibt. „Wir haben eine kleine Manufaktur in Peru, wo unsere Biobaumwolle verarbeitet wird“, erzählt der 34-Jährige. Heraus kommen keine glitzernden Haute-Couture- Kleider, sondern schlichte Mode aus Jersey-Stoff. „Dafür ist der angenehm zu tragen“, meint Koszednar.
Ein paar Hallen weiter schweben weiße Holzkonstruktionen von der Decke herauf und herab. „Sie können über Sensoren gesteuert werden. Je nachdem, wo sie hintreten, bewegen sie sich“, sagt Johanna Zinnecker, Studentin des Instituts für Leichtbau der Universität Stuttgart. Ihre Kommilitonen und sie haben eigens ein Computerprogramm geschrieben, um mit den Konstrukten namens „Kumo“ (japanisch für Wolke) eine Lounge für die Messe zu gestalten.
Wenn der Messebesucher erschöpft ist, mag ein Espresso gut tun. Da hat Julian Lechner einen Vorschlag: Warum nicht Kaffee aus Kaffee trinken? Der 25-jährige Absolvent der Universität Bozen hat Espressotassen aus Kaffeesatz gebaut. „80 Grad warmen Kaffee halten sie etwa zwei Stunden aus, also etwa 20 Portionen lang“, sagt Lechner. Dann kann das Material in den Biomüll wandern - wo es sonst direkt gelandet wäre. Er hat aber auch die widerstandsfähigere Version mit Harz im Angebot. „Die kann auch in die Spülmaschine.“
Service:
Messe Blickfang, 11. bis 13. März, Öffnungszeiten Samstag 11.00 bis 21.00 Uhr; Sonntag 11.00 bis 19.00 Uhr, Eintrittspreise: Tageskarte 11 Euro, ermäßigt 8 Euro