Dicke Luft im Wohnzimmer: Letzte Bastion der Raucher wankt
Berlin/Düsseldorf (dpa) - Im Büro werden sie vor die Tür verbannt, zu Hause dagegen war die Raucherwelt bislang noch heil. Jetzt bringen Beschwerden das Refugium ins Wanken. Doch Verbote machen's auch nicht besser, warnen Raucher.
In vielen Kneipen: tabu. Am Arbeitsplatz: unerwünscht. Im Oktoberfest-Bierzelt: verboten. Die Luft für Raucher wird immer dünner. Zigarette, Pfeife und Zigarre sind an vielen öffentlichen Orten längst untersagt. Das letzte Rückzugsgebiet für hartnäckige Raucher ist die eigene Wohnung. Doch auch das könnte nach einem Düsseldorfer Richterspruch bald wackeln. Während sich Glimmstengel-Freunde diskriminiert fühlen, freut es die Vermieter. Probleme scheinen unvermeidbar.
Ein Rauchverbot in den eigenen vier Wänden ist die Entscheidung des Düsseldorfer Amtsgerichts nicht. Es bleibt dabei: „Normales“ Rauchen gehört zur vertragsgemäßen Nutzung einer Privatwohnung. Fühlen sich Nachbarn vom blauen Dunst gestört, kann die fristlose Kündigung eines starken Rauchers jedoch gerechtfertigt sein. „Die Grenzen der Belästigung werden zunehmend strenger gezogen“, erläutert Mietrechtsexperte Gerold Happ von Eigentümerverband „Haus und Grund“.
Rauchverbote in Kneipen, am Arbeitsplatz oder auf Ausflugsschiffen haben das Image der Zigarette getrübt. Die gesundheitlichen Folgen werden präsenter, die Zahl der Raucher nimmt deutschlandweit ab. Deshalb fühlten sich die Leute jetzt schneller belästigt, wenn Qualm ins Treppenhaus dringe, berichtet Happ. Auch der Deutsche Mieterbund wies bereits darauf hin, dass sich die Beschwerden mehren. Immer häufiger kommt es zu Reibereien.
„Die Leute können nicht mehr lüften oder sich auf den Balkon setzen“, klagt Henry Stahl vom Berliner Forum Rauchfrei. Doch das, so das Argument der Raucher, werde mit einem Verbot eher noch schlimmer. Würden Kippen in der Mietwohnung zum Tabu, sagt Christoph Lövenich vom Netzwerk Rauchen, müssten noch mehr Raucher auf die Balkons ausweichen. „Und dann riecht man es erst recht.“
Rauchen gehöre zu Hause, hinter verschlossenen Türen, einfach „zum Leben und Wohnen dazu“, betont Lövenich. „Eine solche Kontrolle über Lebensgewohnheiten und -qualität ist nicht akzeptabel.“ Zuerst sei mit der Kneipe das „zweite Wohnzimmer“ vieler Raucher angegriffen worden. „Jetzt geht es auch noch ans erste Wohnzimmer.“ Der Lebensraum für Raucher schrumpfe, Nachbarn würden immer intoleranter.
Der Bundesgerichtshof hat bisher ausdrücklich offengelassen, ob „exzessives Rauchen“ als vertragswidrige Nutzung angesehen werden kann. Bei erheblichem Renovierungsbedarf kann der rauchende Mieter unter Umständen zur Kasse gebeten werden. Doch Einzelentscheidungen sind schwierig. Deshalb wollten viele Vermieter am liebsten nur noch an Nichtraucher vermieten, hat Happ beobachtet. Wer gefragt wird, muss wahrheitsgemäß antworten, ob er qualmt. Aber dass ein Nichtraucher später auch mal zur Zigarette greife oder rauchende Freunde einlade, könne man ihm nicht verbieten.
Anders sieht das Marcus Hirschmüller vom Vermieterverein Deutschland: „Wir schließen Rauchen in der Wohnung vertraglich aus“, berichtet er. So gebe es keine vergilbten Tapeten mit Bilderrahmen-Abdrücken, keine stinkenden Teppiche oder meuternde Nachbarn.