Platz für viel Raum - Leichte und schmale Möbel im Trend

Mailand (dpa/tmn) - Einen Striptease legen neue Möbel hin, die bald in den Handel kommen: reduziert bis auf das Metallgestell oder aus durchsichtigem Plastik, ohne Polster und Bezug. Sie sollen im voll gestellten Raum den Eindruck erwecken, es gebe noch viel Platz.

Sie haben keinen Bezug, keine Polsterung und keine Füllung: Reduziert bis auf ihr Gestell sind viele neue Tische, Regale, Stühle oder Sessel, die auf der Möbel- und Designmesse Salone Internazionale del Mobile in Mailand vorgestellt wurden. „Teils lösen sich die Möbel fast auf, in dem sie nur noch als filigrane Drahtgestelle oder als transparente Objekte im Raum stehen“, erläutert die Trendanalystin Gabriela Kaiser. „Bei den Regalen geben aufgelöste Formen dem Raum eine Leichtigkeit und erhöhen das Lichtdurchflutete, das Transparente.“

Auch vor den Wohnaccessoires macht der Trend nicht halt: „Das Metallnetz, das normalerweise versteckt das Material für den inneren Rahmen einer Skulptur ist, findet in diesen Objekten seine eigene Schönheit, und wird selbst zu einer Figur und einem Objekt einer poetischen Welt“, beschreibt etwa die Designerin Benedetta Mori Ubaldini ihre Idee für „Clouds and Birds“ für das Unternehmen Magis. Die Hängefiguren bestehen nur aus einem Netz, was gerade die Wolken schwebend leicht wirken lässt.

Besonders fällt die Tendenz zum nackten Rahmen mit vielen Löchern zum Hindurchgucken bei den Stühlen auf: Ihr Rahmen ist meist aus stiftdünnen Metallstäben. Immerhin noch mit Leder bezogenen ist das Gerüst des Sessels „Aria“ von La Cividina. Obwohl er so breit und so dick wie ein gewöhnlicher gemütlicher, runder Sessel ist, wirkt er durch seine netzartige Struktur geradezu filigran.

Auch Tische dieser Art findet man. Die einfache Konstruktion lasse Gegenstände ganz anders wirken, den Tisch „Ploff“ etwa „von oben betrachtet wie eine Blume“, beschrieb La-Cividina-Exportmanager Giancarlo Tomba in Mailand. „Solche Möbel finden in wirklich jedem Raum Platz: In sehr designorientierten Räumen fallen sie durch ihre Optik gut in der Mitte anderer Stücke auf. Enge Räume verstopfen sie durch ihre Leichtigkeit nicht so sehr.“

Gabriela Kaiser würde solche Möbel in puristisch und trendbewusst eingerichtete Räume stellen, wo der Komfort eher hintergründig ist. „Diese modernen Sitzmöbel sehe ich in Kombination zu modernen stylishen Möbeln in reduzierter Farbigkeit wie Weiß, Schwarz oder Grau oder, jetzt neu, zu hellem Holz“, ergänzt sie.

Ein ähnliches Konstrukt hat auch Lukas Dahlén entworfen: Sein Gartensessel besteht nur aus gebogenem Stahldraht. „Ich suche Wege, wie man Material neu verwendet“, erklärt der Designer seinen Ansatz. So auch bei seiner Neuvorstellung auf der Mailänder Messe: Die schmale Kommode „Weave“ sieht aus wie ein gewebter Korb. Gewebt wurde sie aber nicht, da die verwendeten gepressten Holzplatten nicht elastisch genug sind. Daher wurde erst eine Platte in Wellenform gepresst, dann in Streifen geschnitten und über Stäbe gesteckt.

Der Anschein, das Material sei gewebt, lasse das Holzrechteck schmaler wirken, sagt Dahlén. Das gilt auch für die luftigen Stühle und Sessel, deren Sitzflächen wirken, als seien die Metallstäbe filigran geknotet oder kompliziert gewebt worden. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die luftigen Steckentwürfe von Alessandra Scarfo: Das Schaukelpferd „MiDonDoLo“ und der Stuhl „Seduta Listelli“ bestehen aus über Kreuz gesteckten Holzplatten. Scarfos erklärtes Ziel war es, ein möglichst einfaches Möbel zu kreieren, das flexibel nach Kundenwunsch erweiterbar ist, etwa der Stuhl mit Armlehnen.

„Realistischer, leichter zu transportieren, geeigneter für nicht unbedingt junge und sportliche Benutzer“ seien die Neuheiten, beschreibt die Mailänder Messe selbst den Trend zum einfacheren Design. Gerade so als würde die Branche auf einen „rappel à l'ordre“, eine Abmahnung, reagieren, die sich in Form der Wirtschaftskrise in der Branche gezeigt hatte: „So als hätte man beschlossen, Provokation zu vermeiden, die heute abgesehen vom ästhetischen Urteil moralisch inakzeptabel ist.“

Das scheint auch ein Grund für einige Designer gewesen zu sein, ihre Stücke aus durchsichtigem Kunststoff anzubieten: Sie fallen im Wohnraum nicht unangenehm auf, aber sind dennoch ein Hingucker. Magis stellte etwa einen Verkaufshit des Hauses, den kreiselförmigen Sessel „Spun“, neu aus transparentem Polycarbonat vor. Das durchsichtige Material gebe dem Produkt einen Hauch Leichtigkeit und Frische.

Trendanalystin Kaiser hat in Mailand allerdings keine verängstigte Branche vorgefunden. Sie erkennt in der neuen Nacktheit der Möbel vielmehr den Wunsch der Menschen, alles Schwere im Leben abzulegen: „Für mich ist das Thema mehr, dass wir es nicht mehr kompliziert und überfrachtet in unserem Zuhause - oder überhaupt in unserem Leben - haben wollen, sondern unkompliziert und lässig. Wir wollen uns darin wohlfühlen, ohne groß darüber nachzudenken.“