Bhutan will erstes Bio-Land der Welt werden
Thimphu (dpa) - Im Himalaya-Königreich Bhutan gibt es rund 2000 Bio-Bauern - und noch viele mehr sind es, ohne sich so zu nennen.
„Wir sind fast alles Buddhisten. Nett zur Umwelt und zur Erde zu sein, ist für uns von zentraler Bedeutung“, sagt Kesang Tshomo, die das Bio-Programm in Bhutan leitet. Pestizide, Herbizide oder chemische Düngemittel fänden nur wenig Akzeptanz in der Bevölkerung und würden nur auf etwa 1,5 Prozent des Agrarlandes verwendet. Bald sollen es gar keine mehr sein. Denn Bhutan will als erstes Land der Welt auf ökologische Landwirtschaft umsteigen.
„Als wir vor einigen Jahren diese Idee gebaren, war die Luft sehr sauber, die Erde unbelastet, die Flüsse nicht verschmutzt. Es wäre doch schade gewesen, das nicht zu erhalten“, meint Kesang Tshomo. Der kleine Staat mit seinen etwa 700 000 Einwohnern, etwa so groß wie die Schweiz und eingeklemmt zwischen hohen Himalaya-Bergen, war bis in die 60er Jahre vollkommen isoliert und öffnet sich nur langsam. Erst 1999 wurden Fernsehen und Internet eingeführt, 2008 kam die Demokratie. Und bis heute gibt es nur drei Straßen in den Süden nach Indien und keine einzige in den Norden nach China.
Vor sechs Jahren wurde das Rahmenkonzept für die Bio-Landwirtschaft bekanntgegeben, doch einen festen Zeitrahmen zur Umsetzung gibt es nicht. Vielleicht schaffen wir es bis 2020, sagt Kesang Tshomo. „Ideologisch würden wir gerne morgen schon bio sein, aber praktisch müssen wir die Lebenswirklichkeit der Bauern betrachten.“
Die Bauern, das sind Menschen wie Chencho Dorji (27), der von seinem Dorf Khariphu zwei Stunden bis zur nächsten Straße laufen muss. „Es ist schwierig bei uns im Tal, weil die Hänge so steil sind und die Felder klein“, sagt er. Wie die meisten Landwirte benutzt er Ochsen - Maschinen würden sich gar nicht lohnen.
70 Prozent der Bhutaner leben von der Landwirtschaft, und doch müssen viele von ihnen noch Getreide und Gemüse zukaufen. Die Bevölkerung wächst rasch und verstädtert in rasantem Tempo. Mehr als die Hälfte des Reises muss mittlerweile aus Indien importiert werden.
„Zusammen mit der Umstellung auf bio müssen wir die Produktivität erhöhen. Das ist die größte Herausforderung“, sagt Kesang Tshomo. So werden die Bauern etwa in verschiedenen Kompostiermethoden geschult oder in der richtigen Handhabung des Stalldungs, damit durch Versickern und Verdampfen nicht so viele Nährstoffe verloren gehen.
„Wir machen aus Chilis, Knoblauch, Zwiebeln und Pfeffer ein Extrakt, um Ungeziefer zu vertreiben“, ergänzt Thinlay, der im Landwirtschaftsministerium für Pflanzenschutz zuständig ist. Gegen Insekten schützten Produkte aus Neemöl, erklärt er. Und bei einer Schlangenplage würden die Tiere eingefangen, in eine Grube geworfen und mit Salz besprenkelt. „Dadurch dehydrieren sie und sterben.“
Die Bäuerin Lotto Zam (45) würde gerne alles biologisch anbauen. Stolz zeigt sie auf die unbehandelten Pfirsiche, Tomaten, grünen Bohnen, Kartoffeln, Chilis, Erbsen, Knoblauch und Gurken, die auf dem Markt im Dorf Shaba vor ihr auf einer Decke liegen. Doch manchmal gehe es nicht ohne Pestizide: Dieses Jahr habe sich der army worm in ihrem Tal im Reis ausgebreitet. „Wir hatten keine andere Wahl, wir mussten Spritzmittel von der Regierung kaufen.“
Schädlingsbekämpfungsmittel sind nur von offiziellen Ausgabestellen zu bekommen. In Bhutan gibt es keinen Hersteller, und importieren darf nur das Ministerium. „Herbizide und Insektizide geben wir nur in Notfällen raus, aber nicht routinemäßig“, sagt Thinlay.
Das liegt auch daran, dass Bhutan schon seit Jahrzehnten das Glück der Bewohner über das Wirtschaftswachstum stellt und dies mit Hilfe eines Bruttoglücksprodukt misst. Eine der vier Säulen dieses einzigartigen Index ist der Umweltschutz. Deswegen steht in der Verfassung, dass mindestens 60 Prozent des Landes bewaldet sein müssen; heute sind es 72 Prozent. Das Land hat sich außerdem verpflichtet, für immer CO2-neutral zu bleiben; jetzt ist es sogar CO2-negativ. „Da war es nur der nächste logische Schritt, auch die biologische Landwirtschaft anzustreben“, sagt Peldon Tshering, Chefstratege der nationalen Umweltkommission.
Kesang Tshomo meint, Bhutan müsse vor allem den Export von Nischenprodukten vorantreiben. Wegen der geringen Maschinisierung und der kleinen Felder, die zumeist von den Besitzern selbst bestellt werden, könnten nur kleine Mengen produziert werden. „Ingwerpulver, Kräutertees oder handgemachte Seifen aus Senföl könnten wir zum Beispiel in Europa verkaufen“, sagt sie. Ein einziges Produkt gibt es schon zertifiziert für den EU-Markt: Zitronengrasöl als Raumspray.