Der Charme einer natürlichen Wiese im Garten
Heilbronn (dpa/tmn) - Statt Einheitsrasen kann im Garten eine bunte Wiese blühen - von Schmetterlingen umschwärmt und begleitet vom Brummen der Käfer. Doch wer sich einen naturnahen Garten anlegt, muss sich vom gewohnten Anblick einer immergrünen Fläche verabschieden.
Sommerzeit ist Wiesenzeit. Bei dem Gedanken erscheinen vor dem geistigen Auge die Ähren der Gräser, die sich im Takt des Windes wiegen. Dazwischen öffnen sich weiße Margeritenblüten. Blaue Kerzen des Wiesensalbeis wechseln sich mit pinkfarbenen Kartäusernelken ab. Und bald erscheinen auch die fliederfarbenen Blüten der Skabiosen.
Dagegen kommt ein normaler Hausgarten optisch nicht an, findet Reinhard Witt, Vorstand des Vereins Naturgarten in Heilbronn: „Kurz geschorene Rasenflächen besitzen den Wert einer Kunststoffmatte - leblos, langweilig, eine echte Umweltbelastung.“ Warum also nicht den eigenen Garten wie eine Wiese am Ortsrand gestalten?
Neben den Blüten als Hingucker auf der Wiese gefällt der Landschaftsarchitektin und Buchautorin Bärbel Grothe aus Bochum die Vielfalt. Sie sei Lebensraum für unzählige Bewohner - und hat somit einen großen ökologischen Wert. „Mit einer Wiese lockt man Nützlinge in den Garten, die dann nicht nur die Wiese besiedeln, sondern auch an anderen Stellen im Garten dabei helfen, Schädlingen Herr zu werden“, erläutert Grothe. Und Gartenplaner Witt ergänzt: „Sie ist Niststatt, Futterplatz, Ruhezone und Winterquartier zugleich.“
Grothe empfiehlt aus gestalterischer Sicht, für eine Wiese eine größere Fläche im Garten zu reservieren. „Wenn man eine Wiese betrachtet, dann will man den Blick über eine Fläche streifen lassen“, erläutert die Buchautorin. Eine feste Größe gibt es eigentlich nicht, aber Witt rät, mindestens 100 Quadratmeter einzuplanen. „So leistet die Blumenwiese tatsächlich einen Beitrag zum Artenschutz und ist groß genug, um seltene Arten von Fauna und Flora zu erhalten“, erläutert der Planer für naturnahe Gärten. „Hat man nicht genügend Platz für eine Wiese, plant man besser ein Wildstaudenbeet.“ So kann man auf engstem Raum unterschiedliche Lebensbedingungen simulieren.
Wiesen findet man eher nicht im kleinen, aufgeräumten Stadtgarten, sondern in größeren Naturgärten. „Eine Wiese hat ihren Platz im Erlebnisgarten, der etwas wild ist und dessen Reiz das Entdecken ist“, sagt Grothe. Will man eine Wiese anlegen, so muss man die klimatischen Bedingungen ebenso gut kennen wie die Bodenbeschaffenheit. „Am besten lässt man eine Bodenuntersuchung machen“, sagt Witt. Auf nährstoffarmer Erde gedeihen Magerwiesen, auf reichhaltigerem Boden Fettwiesen mit anderen Pflanzen.
Aber Hobbygärtner müssen sich darüber im Klaren sein, dass diese Gartenform nicht immer blüht und vor Leben strotzt: Wenn die Zeit des Mähens gekommen ist, wandele sich das Bild schlagartig, sagt Grothe. „Die Fläche, die kurz zuvor noch grün und zum Teil auch noch bunt war, ist auf einen Schlag braun und unansehnlich.“ Es dauere einige Zeit, bis die Pflanzen nach dem Schnitt wieder schön gewachsen sind.
Außerdem kann man nach Grothes Einschätzung eine Wiese als Gartenbesitzer nicht wirklich nutzen. Man könne zwar ab und an mal durchstreifen, aber wenn man das häufiger mache, knicken die Pflanzenhalme ab. Das Gleiche gilt für das Fußballspielen und das Toben der Kinder. „Aber man kann überlegen, einen Kräuterrasen anzulegen“, sagt die Buchautorin. Sie empfiehlt Wildkräuter wie Gänseblümchen, Gamander, Ehrenpreis und Günsel im Rasenteppich zuzulassen. Sie wachsen flach und stören sich weder am regelmäßigen Schnitt noch an der Belastung durch Spiel und Freizeitgestaltung.
Wer den Rasen in eine Blumenwiese verwandeln will, sollte Geduld mitbringen, denn der Prozess kommt erst langsam in Gang und braucht Zeit. Zum einen sind Unkrautvernichter tabu, denn sie unterdrücken die natürliche Flora. Auch Dünger wird nicht gegeben. „Der Griff zum Düngersack entscheidet zwischen mastigem Löwenzahn und zarter Glockenblume“, sagt Witt. Denn viele Wildblumen meiden Nährstoffe.
Daher muss der Boden abgemagert werden. Diesen Prozess fördert der Hobbygärtner, indem er immer wieder Sand auf die Fläche streut. „Man darf auch noch nicht aufhören zu mähen, denn das Entfernen des Schnittgutes ist wie eine Schlankheitskur“, erläutert der Naturgartenplaner. Allmählich verschiebt sich das Pflanzenspektrum zugunsten der favorisierten Kräuter.
Wird das Wachstum langsamer, stellt man auf die schonende Mahd mit der Sense um. Das Schnittgut wird weiterhin abgetragen. „Die Pflanzen stehen lückiger und niedriger, so dass jetzt die Kräuterkeimlinge Licht bekommen, die bislang im dichten Rasenfilz erstickt sind“, erklärt Witt. Und die Fläche sieht langsam wie eine Blumenwiese vor den Grenzen des Ortes aus.
Literatur:
Bärbel Grothe: Naturgärten gestalten - Gärtnern im Einklang mit der Natur, Verlag Gräfe & Unzer, 2013, 144 Seiten, 19,90 Euro, ISBN-13: 978 383 382 6047