Der Frühling trickst den Winter aus - Einige Pflanzen erblühen früh
Osnabrück (dpa/tmn) - Noch während der Schnee im Garten liegt, schieben Schneeglöckchen ihre Köpfe hindurch. Auch Winterlinge und die ersten Alpenveilchen zeigen sich früh. Die Evolution hat ihnen Vorteile gegenüber anderen Pflanzen gegönnt.
Noch bevor der Winter zu Ende geht, stiehlt der Frühling ihm schon die Schau. Denn die ersten zarten Frühblüher zeigen sich bereits: Schneeglöckchen (Galanthus) schieben aus den blaugrünen Blätterhorsten zaghaft die weißen Blüten. Winterlinge (Eranthis hyemalis) entfalten in den ersten wärmenden Sonnenstrahlen ihre goldgelben Blütenblätter zu einer Scheibe, und die Vorfrühlingsalpenveilchen (Cyclamen coum) überziehen die Beete mit einem zarten rosaroten bis weißen Schleier.
„Bei diesen Vorfrühlingsblühern handelt es sich um Geophyten, also Pflanzen mit einem Überwinterungsorgan unter der Erde“, erläutert Nikolai Friesen. Darunter gibt es Zwiebel-Geophyten, zu denen das Schneeglöckchen zählt, und Knollen-Geophyten wie Winterling und das erste Alpenveilchen. „Damit nutzen diese Pflanzen einen evolutionären Vorteil aus“, erklärt Stephan Anhalt, Direktor von Die Flora, dem Botanischen Garten in Köln. Sie können schon zum Winterende austreiben und damit früher als andere Pflanzen. Denn in ihren Knollen und Zwiebeln haben die Pflanzen Energie gespeichert. Diese benötigen sie in den letzten Winterwochen, um schnell zu wachsen.
Und die Vorfrühlingsblüher nutzen einen Vorteil aus, den der Winter ihnen bietet: Die Bäume sind noch kahl. Denn: „Sie brauchen das Licht zum Wachsen. Und sie treiben direkt nach der Blüte die Blätter - noch bevor das Laub an den Bäumen ausgetrieben ist“, erklärt Anhalt. So können die Pflanzen wieder Energievorräte in den Speicherorganen anlegen und anschließend, wenn es schattig, heiß und trocken wird, sich in den Boden zurückziehen. „Besonders früh erwachen die Vorfrühlingsblüher an Stellen, wo Sonne den Boden erwärmt oder die Lage durch Kleingehölze geschützt wird“, sagt der Gartendirektor.
Diese Frühblüher kämpfen aber auch mit fiesen Mitteln, um ihr Überleben: „Sie hemmen das Wachstum anderer Pflanzen und setzen sich auf diese Art und Weise durch“, erzählt Friesen. Durch ihre verrottenden Blätter gelangen Hemmstoffe in den Boden, die die Keimung anderer Pflanzen verhindern.
Problemlos überstehen die Geophyten Schneefall - denn währenddessen ist die Witterung noch relativ mild. „Meist sind die Temperaturen bei Schneefall um die null Grad“, sagt Anhalt. Die Schneedecke schützt die Pflanzen zusätzlich, sie wirkt wie eine Isolierschicht. Darüber hinaus besitzen diese Pflanzen durch hohe Zucker- und Salzkonzentrationen in Blättern und Blüten quasi ein eigenes Frostschutzmittel, erklärt der Botaniker. „Gefährlich wird die Kälte eigentlich erst, wenn es sogenannten Kahlfrost gibt“, sagt aber Friesen. Die tiefen Minusgrade ohne Schneefall schwächen die Pflanzen, und die bereits ausgetriebenen Organe können vertrocknen.
Gepflanzt werden die Geophyten meist im Herbst. Es hat sich allerdings auch bewährt, die Pflanzen direkt nach der Blüte aus einem Bestand im Garten auszugraben, zu teilen und wieder zu pflanzen. So wachsen sie rasch ein und gewöhnen sich gut an den neuen Standort.
Die Frühlingsboten sind nämlich recht anpassungsfähig. Am besten ist es jedoch, den Geophyten ähnliche Bedingungen zu bieten wie an ihren natürlichen Standorten. „Bei uns sind Geophyten wie Winterlinge, Vorfrühlingsalpenveilchen und Schneeglöckchen nicht heimisch“, sagt Anhalt. Das Alpenveilchen ist am Naturstandort heiße, trockene Sommer gewohnt. Bei entsprechender Sommertrockenheit entwickeln sich diese Pflanzen auch unter Bäumen und Sträuchern üppig. „Winterlinge und das Gewöhnliche Schneeglöckchen wachsen in Auenwäldern, vor allem südlich der Donau“, erläutert Friesen. Man kann sie also gut in den lichten Schatten oder in einen nach Norden ausgerichteten Vorgarten pflanzen.