Eisenhut und Pfingstrose: Bald kommt der Kältekick

Freiburg (dpa/tmn) - Manche Pflanzen brauchen mehr als nur etwas Wasser, Sonne und Nährstoffe, um zu gedeihen: Sie wollen in die bittere Kälte des Winters, damit ihre Samen keimen. Zur Not tut es auch der Kühlschrank.

Wenn die Wintervorbereitungen im Garten beendet sind, ist der ideale Zeitpunkt, über Neupflanzungen fürs kommende Jahr nachzudenken. Tatsächlich können Bärlauch, Duftveilchen, Christrosen, Phlox-Arten, Edeldisteln und zahlreiche weitere Stauden bereits jetzt gesät werden. Sie bezeichnet man als Kaltkeimer.

Gemeinsam ist ihnen: Sie sind in den Bergen oder anderen winterkalten Regionen beheimatet. Das Geheimnis der Kaltkeimer ist ihr Innenleben. „Ob und wann ein Samen keimt, hängt vom Wechselspiel zweier Hormone in seinem Inneren ab, nämlich von den wachstumsfördernden Gibberellinen und der wachstumshemmenden Abscisinsäure“, erklärt Gerhard Leubner, Spezialist für Samenbiologie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

Diese beiden Hormone gibt es in allen Samen. Da sie aber von Umweltbedingungen gesteuert werden, reagieren sie in jedem Samen unterschiedlich. Bei Kaltkeimern ist der erste wichtige Umwelteinfluss die Feuchtigkeit. Nur wenn der Samen aufgequollen ist, reagiert er auf Einflussfaktor Nummer zwei, die Temperatur. „Kaltkeimer sind Pflanzen, die eine gewisse Kälteperiode mit Temperaturen zwischen minus vier und plus vier Grad benötigen“, sagt Gottfried Röll von der Bayerischen Gartenakademie in Veitshöchheim.

Kommen beide Reize zusammen, produziert der Samen verstärkt Gibberelline und baut Abscisinsäure ab. „Die Wachstumshormone bewirken, dass das Embryo im Samen wächst und zugleich die dicke Samenhülle weicher wird, so dass das Embryo schließlich die Hülle durchbricht“, beschreibt der Biologe Leubner den Vorgang.

Mit ein wenig Fingerspitzengefühl kann sich jeder Hobbygärtner diesen Mechanismus zunutze machen. „Auf Samentütchen steht im Allgemeinen drauf, welche Samen Kaltkeimer sind“, sagt Peter Botz, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Garten-Center.

Theoretisch funktioniert die Kaltkeimung unter freiem Himmel - doch dort warten Vögel auf Winterfutter. Zudem lassen sich die Bedingungen nur schwer konstant halten. „Wer auf Nummer sicher gehen möchte, braucht einen Platz, wo die Temperaturschwankungen nicht zu groß sind und sich die Feuchtigkeit gut kontrollieren lässt“, erläutert Botz. Ideal seien ein Frühbeet oder ein Kleingewächshaus.

„Die Samen sollten möglichst rasch nach der Ernte auf gutem Vermehrungssubstrat ausgesät werden“, sagt Röll. Wenn draußen bereits Frost herrscht, ist es zum Aussäen dort zu spät. Der Samen kann nicht mehr ausreichend aufquellen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Das Saatgut wird in Schalen gegeben, gut befeuchtet und quillt im Warmen zwei Wochen auf, bevor es nach draußen kommt. Oder die Saatschalen kommen in den Kühlschrank, keinesfalls jedoch in den Gefrierschrank.

Wie lange der Kältereiz auf die Samen wirken sollte, hängt von der jeweiligen Pflanzenart ab. „Mal reichen zwei bis drei Wochen, mal müssen es vier Monate sein“, sagt Röll. In der Regel recken die Keimlinge die Köpfe, wenn es nach Winterende langsam wärmer wird. Wenn sie etwas größer werden und sich gegenseitig den Platz streitig machen, werden sie vereinzelt.

Sobald der Boden offen ist, können die Jungpflanzen an Ort und Stelle gesetzt werden. „Wer jedoch kräftige Gewächse haben möchte, kultiviert sie im Topf weiter und pflanzt sie erst im Frühherbst ins Beet“, empfiehlt Gartenexperte Röll.

Was sind die wichtigsten Kaltkeimer? Brigitte Goss von der Bayerischen Gartenakademie zählt auf: Astilben, Bergenien, Christrosen, Diptam, Eisenhut, Enzian, Iris, Lilien, Mohn, Pfingstrosen, Roter Sonnenhut, Tränendes Herz, Veilchen, Zierlauch.