Meterhoher Riese mit Motorzellen: Die Sonnenblume

Bayreuth (dpa/tmn) - Kleine Kinder blicken zu ihr auf wie zu einem Riesen - aber auch viele Erwachsene verschwinden weit unter dem Kopf der Sonnenblume. Vögel lieben ihre Kerne, Gartenbesitzer die leuchtende Farbe ihrer Blütenkörbe - die nicht immer knallgelb sein müssen.

Wo die Sonnenblume großflächig angebaut wird, fällt eines sofort ins Auge: Ihre Blütenköpfe weisen stets in eine Richtung. Denn ihre Blätter, Knospen und die jungen Köpfe folgen dem Stand der Sonne - morgens sind sie also nach Osten ausgerichtet, abends nach Westen. Diese Erscheinung nennt man Heliotropismus. Sie wird durch Motorzellen im jungen Gewebe ermöglicht, wie Ulrike Bertram, Kustodin am Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth erläutert.

Hunderte oder fast Tausende von winzigen Blüten bilden gemeinsam den scheibenförmigen Blütenstand einer Sonnenblume. Dieser Blütenkorb erhöht ihre optische Wirkung - das macht sie auch für ihre Bestäuber attraktiv.

Der Aufbau des Blütenkorbs ist komplex, wie Bertram beschreibt. Ganz außen sitzen die meist gelb gefärbten Rand- oder Zungenblüten, die als einzige der Blüten große Blütenblätter besitzen. Sie geben der Scheibe einen gezackten Rand, der an Zeichnungen einer Sonne mit Strahlen erinnert. In der Mitte sitzen die winzigen Röhrenblüten, auch Scheibenblüten genannt. Sie blühen vom Rand hin zur Mitte auf.

Sonnenblumen sind ursprünglich in Amerika beheimatet. Von dort ist bekannt, dass die südamerikanischen Inkas diese verehrt haben. Und die nordamerikanischen Indianer zählten Sonnenblumenkerne zu ihren wichtigen, weil haltbaren Lebensmitteln. Spanische Seefahrer brachten die Samen nach Europa.

Heute sind rund 50 bis 60 Arten bekannt, welche meist ursprünglich aus der nordamerikanischen Prärie stammen, sagt Bertram. Als die Sonnenblume schlechthin gilt die einjährige Helianthus annuus, was ihr Name auch besagt. „Heli“ steht für die Sonne, „anthus“ für Blume und „annuus“ bedeutet einjährig. Sie wird ausgesprochen groß, und jede einzelne Blüte des Blütenkorbes produziert eine Frucht, die nicht nur Vögel begehren: den Sonnenblumenkern. Botaniker nennen ihn laut Bertram eine „Achäne“, eine Sonderform der Nussfrucht.

Die bekannteste Art neben der Helianthus annuus ist die Topinambur (Helianthus tuberosus), welche vor allem wegen ihrer essbaren, süßen und insulinhaltigen Wurzelknollen beliebt ist. Aus diesen wird auch Schnaps hergestellt. Daneben findet man eine riesige Auswahl an Formen und Farben: Neben einkörbigen Pflanzen findet man verzweigte, vielkörbige Sorten wie 'Vanille-Eis' oder solche mit runden, pompon- statt scheibenförmigen Köpfen wie den 'Gelben Knirps'.

Es gibt aber nicht nur Blütenkörbe mit gelben Zungenblüten. 'Velvet Queen', 'Claret' und 'Double Dandy' haben beispielsweise rote Zungenblüten, und 'Calypso' und 'Ruby Eclipse' bunte. Auch die scheibenförmigen Zentren können verschiedenste Farben haben: Gelb, Orange, Braun, Grün, Weiß und sogar Schwarz sind möglich.

Sonnenblumen sind wegen ihres hohen Wuchses großartige Gestaltungselemente. Mit ihnen könne man etwa Zäune, Wände oder den Komposthaufen kaschieren, rät Thomas Wagner vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde in Berlin. Hierfür eignet sich besonders die bis zu fünf Meter hohe Helianthus annuus und die bis zu zwei Meter hohe Weidenblättrige Sonnenblume (Helianthus salicifolius).

Die Stauden-Sonnenblume braucht aber wegen ihrer Größe Halt durch Stäbe. Zwergsorten, wie etwa „Teddybär“ mit einer Höhe von nur 40 Zentimetern eignen sich hingegen eher für die Beetbepflanzung.

Auch für die Kübelbepflanzung wurden mittlerweile eigens Varianten gezüchtet. Doch vor dem Verzehr der Keime dieser kurzwüchsigen Sonnenblumen warnen die Experten. Diese seien meist normale Sonnenblumen wie die Helianthus annuus, die durch Wachstumsregulator-Hormone künstlich auf einer Höhe von nur etwa 30 Zentimetern gehalten werden, erläutert Wagner.

Die Sonnenblumenkerne enthalten grundsätzlich aber nahrhafte und gesunde Öle, die in der Küche Verwendung finden. Das an zweifach ungesättigter Linolsäure reiche Öl enthält Vitamin E und Magnesium, erläutert Bertram.

Wer die leckeren Samen ernten möchte, sollte rechtzeitig vor der Reife ein Tülltuch oder ein Netz um die Blütenkörbe binden, damit die Vögel einem nicht zuvorkommen, meint Wagner. Die Samen können auch im nächsten Jahr ausgesät werden, wenn sie zuvor kühl und trocken gelagert wurden.