Schenken statt Shoppen: „Givebox“ erobert die Straßen
Düsseldorf (dpa) - Teilen ist das neue Shoppen: In kleinen Holzbuden verschenken Menschen gebrauchte Dinge an die Nachbarschaft. Damit wollen die Initiatoren Ressourcen schonen. Das kommt an: In immer mehr Städten begeistern sich Anwohner für die „Givebox“.
Reiner Redlich strahlt vor Glück. Der 51-Jährige hat ein neues Licht für sein Fahrrad geschenkt bekommen - von wem, weiß er selbst nicht. Die Beleuchtung hat er in einer „Givebox“ im Düsseldorfer Stadtteil Flingern gefunden, einer Art begehbarem Kleiderschrank am Straßenrand. In den telefonzellengroßen Buden kann jeder seinen aussortierten Hausrat anonym verschenken. Gebrauchte Regenjacken, Lexika, Schallplatten, Kaffeetassen und Küchengeräte warten in den ein Quadratmeter großen Geschenke-Buden auf neue Besitzer. Wer etwas in der „Gabenkiste“ entdeckt, das ihm gefällt, darf es ohne Gegenleistung mitnehmen.
„Es sind unheimlich tolle und brauchbare Sachen dabei“, sagt Redlich, während er stolz auf seinem silberfarbenen Rad mit der neuen Lampe sitzt. Dass er die Leuchte ausgerechnet fand, just als er eine neue brauchte, kann er kaum fassen. Selten vergehen zehn Minuten, ohne dass Anwohner aussortierte Kleider in die Box hängen oder Passanten das Bücherregal nach kleinen Schätzen durchstöbern. „Fast stündlich wechselt das Inventar“, sagt Kevin Kribben, der mit handwerklichem Geschick den Bau der Düsseldorfer Kiste unterstützte. „Eigentlich könnte sich jemand mit einer Kasse davor setzen und Geld verlangen.“
„Wir alle haben Dinge, die wir nicht mehr brauchen, die aber zu schade zum Wegschmeißen wären“, fasst die Berliner „Givebox“-Initiative auf ihrer Facebook-Seite zusammen. Das Projekt „stärkt die Nachbarschaft, hilft anderen Menschen, befreit von Krempel“ - und setzt dabei auf Nachhaltigkeit und die Schonung von Ressourcen“, heißt es. Seit ihrer ersten Gabenkiste rufen die Berliner bundesweit Nachahmer auf den Plan.
In rund 50 deutschen Städten haben Anwohner nach der Berliner Bauanleitung aus dem Internet Holzverschläge gezimmert oder suchen nach Standorten, die auch dem Ordnungsamt gefallen. Selbst in Paris, Wien, Zürich und San Francisco hat man die deutsche Idee inzwischen kopiert. „Das war ein Schneeballeffekt“, sagt Silke Roggermann, Mitinitiatorin der Düsseldorfer Kiste. „Ohne Facebook hätte das nie funktioniert.“
Gebrauchte, aber noch brauchbare Dinge an Fremde abgeben - die „Givebox“ ist nur ein Beispiel für die Anonymisierung des Schenkens. Auch die Betreiber von Umsonstläden und Verschenke-Websites treiben die nachhaltige Zweitverwertung von Gebrauchtem voran. Das Tauschprojekt „Bookcrossing“ lässt gebrauchte Bücher um die Welt wandern zu neuen Lesern. Mehr als 150 000 Menschen in Deutschland sind nach Angaben der Gründer als „Bookcrosser“ registriert.
Das anonyme Geschenk in der Nachbarschaft ziehen viele Anwohner aus Düsseldorf-Flingern den Sachspenden für wohltätige Zwecke vor. Denn hinter manchen Spendenaktionen verbergen sich auch gewerbliche Sammler, etwa bei Altkleidern. „Da wird mit Verwischung gearbeitet“ sagt Andreas Voget, der einige schwarze Schafe der Altkleider-Branche kennt. Er ist Geschäftsführer von „Fair Wertung“, einem Dachverband von mehr als 100 kirchennahen und gemeinnützigen Organisationen, die gebrauchte Textilien sammeln.
Von der „Givebox“ ist Voget begeistert, warnt aber: „Kleidung ist ein Wertstoff. Wenn sich herumspricht, dass in diesen Häuschen Kleidung liegt, werden die angefahren und ruckzuck über Nacht ausgeräumt.“