„Sonst schmeckt alles gleich“: Warum alte Obstsorten wichtig sind

Stuttgart (dpa/tmn) — Ein Apfel kann säuerlich, süß oder dezent fruchtig schmecken. Doch immer öfter hat das Obst selbst bei unterschiedlichen Sorten ein Einheitsaroma. Die biologische Vielfalt geht verloren - der Hobbygärtner kann aber dagegen anpflanzen.

Die internationale Genießervereinigung Slow Food macht sich auf der gleichnamigen Messe in Stuttgart (12. bis 14. April) für den Erhalt der Biodiversität stark. Hanns-Ernst Kniepkamp ist langjähriges Mitglied der Slow-Food-Arche-Kommission, die sich um vom Verschwinden bedrohte Nutzpflanzensorten und Nutztierrassen kümmert.

Warum ist der Erhalt der biologischen Vielfalt von Nutzpflanzen und Nutztieren wichtig?

„In der biologischen Vielfalt sind viele Eigenschaften vorhanden, die man unter Umständen für irgendwelche Züchtungen später mal wieder braucht. Bei Neuzüchtungen von Äpfeln etwa gibt es derzeit nur sechs Elternteile. Aber eigentlich existieren in Deutschland etwa 2000 Apfelsorten. Wenn wir die nicht erhalten, geht ein Genpool verloren. Und es geht bei der biologischen Vielfalt auch um geschmackliche Vielfalt. Sonst schmeckt alles gleich. Es gibt keine jahreszeitlichen Unterschiede mehr, und es gibt keine geschmacklichen Unterschiede mehr in den unterschiedlichen Jahren. Dann schmeckt der Apfelsaft im Jahre 2013 so wie im Jahr 2012.“

Was kann der Verbraucher dazu beitragen, die biologische Vielfalt zu erhalten?

„Es wird nur das angebaut und erhalten, was auch nachgefragt wird. In dem Moment, wo etwas schmeckt und aufgegessen wird, entsteht eine Nachfrage und damit wird das Produkt auch automatisch angebaut. Man sollte nicht nur im Supermarkt schauen, sondern auch bei anderen Anbietern und sich auch mal nach alten Streuobstsorten erkundigen.“

Was kann der Hobbygärtner tun?

„Die heutigen Gemüse- oder Obstzüchtungen sind ja in sehr vielen Fällen auf die Industrie ausgelegt. Und die Industrie braucht alle Tomaten auf einem Feld so ungefähr an einem Tag erntereif. In Ihrem eigenen Gemüsegarten ertrinken Sie dann ja in Tomaten. Wenn Sie eine alte Sorte anbauen, ist das anders. Ich habe in meinem Garten zum Beispiel eine alte Zuckererbse aus Ostfriesland, die sechs Wochen trägt, immer nur ein bisschen. Und damit können Sie einen Hausgarten wunderbar betreiben. Sie müssen nichts wegschmeißen, sondern haben sechs Wochen lang eine wunderschöne Ernte.“

Wo komme ich als Hobbygärtner an alte Gemüse- oder Obstsorten?

„Es gibt spezielle Anbieter und Vereine wie Dreschflegel oder Bingenheimer Saatgut, die alte Sorten im Programm haben. Die arbeiten auch mit unterschiedlichen Vermehrungsbetrieben zusammen, die der Gegend und dem regionalen Klima angepasste Saaten oder Pflanzen anbieten. Zum Beispiel die Ostfriesische Palme, also ein Grünkohl, wächst nun mal am besten in Ostfriesland und nicht notwendigerweise auf der Zugspitze.“

Welche Rolle spielt Slow Food in diesem Zusammenhang?

„Wir haben die ' Arche des Geschmacks', die Pflanzen, Tiere und Produktionsweisen sammelt, katalogisiert und beschreibt, die in einer einzelnen Region eine lange Tradition haben. Sie sind entweder aus übertriebenen Hygienevorschriften oder weil sie im Anbau schwierig sind, vom Verschwinden bedroht. Das klassische Beispiel ist das Bamberger Hörnle, eine alte Kartoffelsorte. Wenn Sie das mal angebaut haben, ist das hübsch im eigenen Hausgarten, aber im großen Feld hat der Kartoffelroder keine große Freude, weil die Ernte mühsam ist. Wir sagen deshalb immer, man muss aufessen, was man erhalten will. Das ist kein Widerspruch. Denn nur dann wird die Rasse oder die Sorte weiterhin nachgefragt.“