Eichenprozessionsspinner - Haarige Gefahr für Mensch und Baum
Braunschweig/Lüneburg (dpa) - Die giftigen Raupen des Eichenprozessionsspinners haben bereits zwölf Bundesländer erobert. Der lange Winter dürfte daran wenig ändern, fürchten Experten. Die betroffenen Waldbesitzer und Kommunen sollen sich früh vorbereiten.
Ihre Eltern sind unscheinbare kleine Nachtfalter, doch die Raupen des Eichenprozessionsspinners sind gefährlich. Klein und pelzig sind die Tiere, aber keineswegs possierlich - ihre feinen Gifthärchen können schwerste Reaktionen von Atemnot bis zum allergischen Schock auslösen. Und wenn sich die gefräßigen Raupen in langen Kolonnen aus dem bis zu einem Meter langen Gespinst ihrer Nester auf den Weg zum Fressen begeben, dann machen sich nicht nur Waldbesitzer Sorgen um den Eichenbestand.
Die gefährliche Raupe breitet sich in Deutschland immer weiter aus. Insgesamt sind nach Angaben des Julius Kühn-Instituts (JKI) in Braunschweig bereits zwölf Bundesländer betroffen. „Im vergangenen Jahr wurde erstmalig auch in Sachsen der Eichenprozessionsspinner in den Forsten gesichtet. Im Norden verbreiten sich die Tiere entlang der Elbe Richtung Nordsee“, erklärt JKI-Sprecherin Stefanie Hahn.
„Wir raten zur frühen Bekämpfung“, betont Hahn. Betroffene Landkreise und Waldbesitzer sollten notfalls auch mit Insektiziden früh gegen die Schädlinge vorgehen. „Da sind wir uns mit dem Bundesumweltministerium und dem Bundesinstitut für Risikobewertung einig“, betont Hahn. Das müsse vor dem dritten Larvenstadium geschehen, danach ginge es wegen der giftigen Haare nur noch mit Spezialkräften, erklärt die Sprecherin des für Kulturpflanzen zuständigen Bundesforschungsinstituts.
Die zuvor mehr in Süddeutschland heimischen Tiere haben sich in den vergangenen Jahren auch im Norden rasant vermehrt. Schuld seien der Klimawandel und die vielen warmen Frühjahre, sagen Experten. Im Norden ist vor allem der Osten Niedersachsens betroffen. So kam es im Landkreis Lüchow-Dannenberg im Sommer zu massenhaftem Befall. Waldbesitzer beklagten Ämterwirrwarr und strenge Umweltauflagen, von „enteignungsähnlichen Zuständen“ war die Rede. Der benachbarte Landkreis Lüneburg will befallene Bäume in diesem Jahr auch von Hubschraubern besprühen lassen. „Sobald die Bäume wieder Blätter tragen, können wir mit der Bekämpfung beginnen“, heißt es.
In Wendisch Evern bei Lüneburg hat sich gar eine Bürgerinitiative „Eichenprozessionsspinner - Eine haarige Gefahr“ formiert. Die Vorsitzende Gudrun Teickner ist besorgt, dass nicht genug getan wird. Teickner fordert ein koordiniertes Vorgehen und ausreichende Haushaltsmittel zur Bekämpfung. „Es geht um die Gesundheit der Menschen. Im letzten Jahr musste im Landkreis Lüneburg ein Mädchen wiederbelebt werden.“ Laut Teickner hat die Initiative bereits rund 150 Mitglieder.
Der Einsatz von Pestiziden stößt bei Naturschützern auf wenig Begeisterung. Sie kritisieren, dass dabei auch andere Insekten getötet werden. Zudem könnten Vögel gerade in der Brutphase um ihre Beute gebracht werden. Doch die Hoffnung auf eine rasche natürliche Regulierung ist bei Experten gering: „Zum jetzigen Zeitpunkt haben die natürlichen Gegenspieler keinen wesentlichen Einfluss mehr auf die Reduzierung der Population des Eichenprozessionsspinners“, hat das Bundesumweltministerium im Juni 2012 auf eine entsprechende Anfrage der Grünen im Bundestag geantwortet.
Mehr als elf Millionen Hektar Wald gibt es in Deutschland, rund zehn Prozent sind mit Eichen bestanden. Die Bäume liefern begehrtes Holz und erzielen derzeit Spitzenpreise - doch sie sind zum Sorgenkind geworden. Während es dem Wald insgesamt wieder besser geht, vermeldete der jüngste Waldzustandsbericht im Februar bei den Eichen erhebliche Probleme. Jede zweite sei krank und das liege an gefräßigen Raupen. Außer durch Eichenwickler und Frostspanner komme es zunehmend auch durch den Eichenprozessionsspinner zu Schäden.
Wer da auf den langen Winter gesetzt hat, dürfte enttäuscht werden. Das verspätete Frühjahr wird laut JKI kaum Abhilfe schaffen: „Ein langer Winter wie dieser hat die in den vergangenen Jahren erheblich angewachsene Population kaum schädigen können“, meint JKI-Sprecherin Hahn. „Da warten die Raupen halt länger, bis sie das Gelege verlassen können.“