Welche Schadstoffe in Produkten stecken
Dessau-Roßlau (dpa/tmn) - Das neue Sofa riecht stechend nach Chemie, aus der Plastikpuppe zieht beißender Geruch in die Nase. Solche Hinweise sind Glücksfälle für Verbraucher - der Verdacht drängt sich dann nahezu auf, dass die Produkte schädliche Stoffe enthalten.
Meist hat man aber nur ein vages Gefühl. Und die Etiketten sind oft in Fachchinesisch geschrieben. Wo gibt es weitere Informationen? In vielen Fällen können Verbraucher einfach die Händler fragen, die im Rahmen der EU-Verordnung REACH zur Auskunft verpflichtet sind.
Was ist REACH?
Die Abkürzung steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“. Das steht für die zentrale Erfassung aller Chemikalien in der EU mit ihren Risiken für Mensch und Umwelt und der Versuch, besonders gefährliche Stoffe zu ersetzen. „Anders als viele denken, gab es vor REACH nie ein Zulassungsverfahren für Chemikalien“, erklärt Christoph Schulte. Er ist Leiter des Fachgebiets Chemikalien beim Umweltbundesamt, das in Deutschland für die Umweltaspekte der Verordnung zuständig ist.
Chemikalien, die in Europa auf dem Markt sind, werden nun nachträglich erfasst und ihre Wirkung auf Umwelt und Gesundheit festgestellt. Jene, die besonders besorgniserregend sind, kommen nach und nach auf die sogenannte REACH-Kandidatenliste. Aktuell sind 161 Stoffe verzeichnet (Stand Dezember 2014). Alle sechs Monate werden Kandidaten ergänzt.
Welche Folgen hat ein Eintrag für die Unternehmen?
Für betroffene Hersteller ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen müssen die Firmen jedem Bürger auf Anfrage mitteilen, wenn die Konzentration eines Stoffes in einem Produkt einen Anteil von 0,1 Prozent übersteigt. Zum anderen nimmt sich die EU-Kommission die Liste nach und nach vor und unterstellt die Stoffe einer Zulassungspflicht. Firmen, die die Chemikalien dann noch verwenden wollen, müssen nachweisen, dass sie sie sicher verwenden oder dass die Verwendung für die Gesellschaft insgesamt von Vorteil ist. Die Zulassungen gibt es für einen begrenzten Zeitraum. Danach müssen die Stoffe spätestens durch unschädliche Alternativen ersetzt sein.
Ein Beispiel: Seit kurzem ist das Flammschutzmittel HBCD betroffen. Es wird zum Beispiel für Wärmeverbundsysteme aus Styropor zum Dämmen von Hausfassaden genutzt und schützt diese vor Feuer. Es darf nun nur noch zwei Jahre lang verwendet werden. „Die Genehmigung bekommen die Hersteller aber nur, wenn sie nachweisen können, dass keine Alternative zu dem Stoff verfügbar ist“, erklärt Schulte.
Daneben können Stoffe, von denen ein unakzeptables Gesundheits- oder Umweltrisiko ausgeht, ganz verboten oder Beschränkungen unterworfen werden. Zum Beispiel darf in Konsumgütern eine bestimmte Konzentration erbgutschädigender, krebserregender oder fortpflanzungsschädlicher Stoffe nicht überschritten werden.
Welche Produkte sind betroffen?
Viele Konsumgüter, mit denen Verbraucher täglich Kontakt haben. Das Informationsportal www.reach-info.de des Umweltbundesamtes zählt Möbel, Haushaltswaren, Heimwerkerbedarf, Elektrogeräte, Textilien, Schuhe, Sportartikel, Spielzeug, Fahrzeuge oder Verpackungen auf. Eigenen Rechtsvorschriften unterliegen flüssige oder pulverförmige Produkte wie Farben und Lacke, Medikamente, Lebensmittel, Kosmetika und Reinigungsmittel.
„Viele Menschen denken beim Thema Chemikalien, das betrifft mich ja nicht“, sagt Christoph Schulte. „Aber das stimmt nicht.“ Das Problem ist, dass den meisten die Verwendung nicht bewusst ist, da es keine verpflichtenden Hinweise auf vielen Produkten im Handel gibt. So wird zwar zum Beispiel auf Farben und Lacken etwa mit einem Totenkopf angegeben, dass sie giftig sind, wenn man sie verschluckt oder einatmet. Der lackierte Tisch, das Endprodukt aber, ist nicht damit gekennzeichnet. „Dabei gibt es eine Menge Stoffe, die noch eine ganze Zeit lang ausdünsten können und so in der Umwelt verteilt und vom Menschen aufgenommen werden“, erklärt Schulte.
Wie gefährlich sind die Stoffe auf der REACH-Liste?
Stehen die Stoffe auf der REACH-Kandidatenliste, gelten sie als besonders besorgniserregend. Das bedeutet, sie schaden der Umwelt oder dem Menschen. Sie sind krebserregend, verändern das Erbgut, gefährden die Fortpflanzung oder haben ähnlich besorgniserreichende Eigenschaften wie eine hormonelle Wirkung. Dazu zählen zum Beispiel einige Weichmacher (Phthalate), die etwa in Plastikspielzeug, Matratzen, bedruckten T-Shirts und Kabeln vorkommen.
Wie erfahre ich, ob ein gefährlicher Stoff verwendet wird?
Jeder Verbraucher kann den Hersteller fragen. Das Umweltbundesamt hat einen Musterbrief im Internet veröffentlicht. Die Unternehmen oder Händler direkt anzuschreiben, setzt aber Recherchearbeit voraus. Über www.reach-info.de/verbraucheranfrage spart man sich die Adressensuche. Einfach die Artikelnummer in das Formular eingeben, zu finden unter dem Strichcode des Produktes, sowie die eigenen Kontaktdaten. Die Anfrage wird automatisch an den Hersteller oder Händler geschickt. Diese müssen innerhalb von 45 Tagen kostenlos und unabhängig von einem Kauf Auskunft geben.
Was passiert, wenn der Hersteller auf die Anfrage nicht antwortet?
Der Hersteller oder Händler ist nur verpflichtet, eine Antwort zu geben, wenn er einen als besonders besorgniserregend deklarierten Stoff verwendet. Andernfalls braucht er nicht zu antworten. Darauf weist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hin, die den Arbeitsschutz unter REACH in Deutschland verantwortet.
Denkt ein Verbraucher, der Stoff ist dennoch enthalten und er bekommt keine Antwort, sollte er das nach Ablauf der Frist von 45 Tagen einer zuständigen Kontrollbehörde melden, rät die Bundesanstalt. Dem Hersteller oder Händler droht ein Bußgeld. Zuständig ist die Behörde im Bundesland des Herstellers, die Zuständigkeiten variieren aber. Das UBA listet die Kontaktadressen online auf.