Ratgeber Kleinunternehmerregelung als Chance für Gründer
Wer als Kleinunternehmer am Start ist, hat nichts oder nur wenig zur Wirtschaft beizutragen? Weit gefehlt, wenn die aktuellen Statistiken berücksichtigt werden. Vor allem Existenzgründer beginnen ihre unternehmerische Laufbahn oft als Kleinunternehmer, damit sie erst einmal ihre Marktfähigkeit testen können oder sich nebenberuflich ein zweites Standbein aufbauen können, welches eventuell später zur Haupterwerbsquelle wird.
Aktuelle Lage der Kleinunternehmen in Deutschland
Jeder zweite Euro wird in Deutschland durch kleine und mittelständische Unternehmen erwirtschaftet, damit trägt der Mittelstand unübersehbar zur Wirtschaftskraft des Landes bei. Der Anteil am Gesamtumsatz der Unternehmen liegt durch die KMU bei 35 Prozent, wie der „Wirtschaftsmotor Mittelstand“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zu berichten weiß. Kleinunternehmer zählen ebenso zum Mittelstand wie andere Unternehmen, wobei Kleinunternehmer in der Regel nur allein tätig sind. Nur selten haben sie auch einen oder zwei Mitarbeiter wie der Durchschnitt der übrigen KMU.
Im ersten Halbjahr 2018 wurden rund 284.200 Unternehmen verschiedener Größe gegründet. Davon waren etwa 89.900 Kleinunternehmen (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/73666/umfrage/neugruendung-von-unternehmen-in-deutschland/), deren voraussichtliche Zahl noch weiter wachsen wird. Für 2019 liegen allerdings noch keine belastbaren Zahlen vor, die Prognosen gehen aber davon aus, dass immer mehr Kleinunternehmer auf dem Markt zu finden sein werden.
Das ist die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG
Für Kleinunternehmer ist der § 19 des Umsatzsteuergesetzes maßgeblich, der bestimmte Umsatzgrenzen festlegt. Hier ist im ersten Abschnitt des genannten Paragraphen die Rede davon, dass der im zweiten Abschnitt als Umsatz definierte Betrag erst dann umsatzsteuerpflichtig wird, wenn er 17.500 Euro für das vorangegangene Kalenderjahr übersteigt und wenn für das laufende Kalenderjahr mehr als 50.000 Euro als Umsatz zu erwarten sind. Als Umsatz werden alle Einnahmen definiert, die aus der selbstständigen Tätigkeit der Steuerschuldners stammen, wobei die Umsätze von Wirtschaftsgütern aus dem Anlagevermögen davon abgezogen werden. Wichtig: Die Rede ist vom Umsatz und nicht vom Gewinn! Der Gewinn ergibt sich nach Abzug der Betriebsausgaben und liegt demzufolge niedriger als der Umsatz.
Wichtig ist, dass die Umsatzgrenzen beide Bedingungen erfüllen müssen (17.500 Euro für das vorangegangen und 50.000 Euro für das laufende Kalenderjahr). Im ersten Jahr der Geschäftstätigkeit wird der Umsatz geschätzt, daher basiert dieser noch nicht auf reellen Zahlen. Das heißt, wenn der Jahresumsatz voraussichtlich 17.500 Euro nicht übersteigt, darf von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht werden. Vorsicht: Wenn das Geschäftsjahr der Gründung nicht dem Kalenderjahr entspricht, muss eine Aufrechnung der Monate erfolgen. Das bedeutet, wenn die Geschäftstätigkeit im März aufgenommen wird, dürfen für die geschätzte Umsatzgrenze auch nur 10/12 herangezogen werden. Der voraussichtliche Umsatz darf damit nicht mehr 17.500 Euro, sondern nur noch 14.583 Euro betragen.
Die Kleinunternehmerregelung ist an den Unternehmer gebunden. Wenn dieser mehrere kleine Unternehmen nebeneinander führt, darf er dennoch die genannten Umsatzgrenzen nicht überschreiten. Diese gelten nicht pro Unternehmen, sondern pro Unternehmer!
Werden aber nebenher Einnahmen erzielt, die ohnehin umsatzsteuerfrei sind, zählen sie nicht in die Kleinunternehmerregelung hinein, denn bei dieser geht es um den Verzicht der Erhebung der Umsatzsteuer, nicht um eine tatsächliche Umsatzsteuerfreiheit.
Vor- und Nachteile der Kleinunternehmerregelung
Alles scheint für einen Kleinunternehmer einfacher zu sein. Er braucht keine doppelte Buchführung oder eine Bilanz erstellen und muss keine Gewinn-und-Verlust-Rechnung vornehmen. Die einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung ist für die Ermittlung des Gewinns völlig ausreichend. Außerdem braucht keine Umsatzsteuer erhoben und abgeführt zu werden, was wohl die wichtigste Vereinfachung sein dürfte. Das bedeutet, dass die Rechnungen ohne Umsatzsteuer geschrieben werden dürfen, was wiederum einen Vorteil für die Kunden des Unternehmers bedeutet. Sie bekommen die gewünschten Leistungen günstiger, denn sie müssen keine Mehrwertsteuer zahlen. Das wiederum verschafft dem Unternehmer einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Wer bei gleichen Leistungen günstigere Preise bieten kann, hat die Nase vorn. Dies gilt aber nur für Privatkunden, denn gegenüber anderen Unternehmern spielt nur der Grundpreis eine Rolle. Für diese ist die Umsatzsteuer ebenfalls nur ein durchlaufender Posten und wird in einen Preisvergleich in der Regel nicht mit einbezogen.
Doch die Kleinunternehmerregelung kann auch nachteilig sein. Wenn mit der Geschäftstätigkeit Investitionen verbunden sind und für Anschaffungen Vorsteuer zu zahlen ist, darf diese nicht im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung wieder einbehalten werden. Zu einer solchen Verrechnung ist der Kleinunternehmer nicht befugt. Erhebt er von seinen Kunden Umsatzsteuer, muss er diese auch an das Finanzamt abführen, er darf sie nicht einfach einbehalten!
Ebenfalls nachteilig ist an dieser Regelung, dass das Einkommen nicht beliebig erhöht werden kann. Nach Abzug der Ausgaben steht meist nur noch ein Einkommen zur Verfügung, das bestenfalls als Nebenverdienst gelten kann. Wer über die Umsatzgrenzen kommt, muss allerdings zur Regelbesteuerung wechseln und genießt die Vorteile nicht mehr, die durch den Verzicht auf Erhebung der Umsatzsteuer vorhanden waren. Für die meisten Unternehmer bedeutet das, dass sie bei gut laufenden Geschäften zur Regelbesteuerung übergehen müssen, was gerade gegenüber Privatkunden oft nicht einfach zu erklären ist. Wer bislang besonders günstig war, weil er keine Mehrwertsteuer erheben musste, wird nun automatisch um 19 Prozent teurer (bzw. um 7 Prozent). Dies kann zu erheblichen Gewinneinbrüchen führen.
Im Geschäftsleben genießen Kleinunternehmer oft ein eher geringes Ansehen, denn nur allzu häufig wird ihnen unterstellt, dass sie keine „Profis“ wären oder dass sie eher mit einer Liebhaberei Geld machen wollten. Dass das nicht so ist, dürfte schwer zu beweisen sein.
Für wen lohnt sich die Kleinunternehmer-Regelung
Wer als Existenzgründer darauf angewiesen ist, mit seiner Tätigkeit den Lebensunterhalt zu verdienen und somit als Vollerwerbsgründer gilt, kann zwar als Kleinunternehmer starten, wirklich sinnvoll ist das aber nicht. Denn die anfängliche Positionierung auf dem Markt ist oft nur schwer auszubauen, weil sich ein entsprechend der günstigen Preise orientiertes Klientel aufbaut. Besser ist es, von Anfang an auf die Umsatzsteuer zu optieren, denn auch bei geringen Einnahmen ist es möglich, Umsatzsteuer zu erheben und sich für die Regelbesteuerung zu entscheiden. An diese Entscheidung ist der Unternehmer für fünf Jahre gebunden. Danach kann er wieder wechseln und auf die Umsatzsteuer verzichten.
Die Kleinunternehmerregelung lohnt sich auch dann nicht, wenn hohe Anfangsinvestitionen für die Gründung nötig sind. Der Grund: Die gezahlte Vorsteuer kann nicht von der Umsatzsteuer abgesetzt werden, sondern sie muss in voller Höhe bezahlt werden. Das bedeutet, dass zwar der anfängliche Verwaltungsaufwand niedriger ist, dafür ist aber der Vorteil des Vorsteuerabzugs verloren geht.
Wer nur mit Businesskunden zu tun hat, profitiert ebenfalls nicht von der Kleinunternehmerregelung, denn der Verzicht auf den Vorsteuerabzug bleibt – günstigere Preise für Unternehmer sind aber nicht nötig. Denn diese holen sich ihre Vorsteuer ohnehin zurück, der Nettopreis stellt für diese somit keine Ersparnis dar. Anders sieht es aus, wenn die Kunden Privatkunden sind, dann lohnt sich die Kleinunternehmerregelung aus den oben unter den Vorteilen genannten Gründen. Auch dann, wenn nur nebenberuflich ein wenig Geld verdient werden soll und absehbar ist, dass damit kein Vermögen erwirtschaftet werden kann, darf der Verwaltungsaufwand so gering wie möglich sein und der Verzicht auf Erhebung der Umsatzsteuer ist sinnvoll.
Kleinunternehmerregelung beantragen: Das müssen Sie bei der Gewerbeanmeldung beachten
Wer ein Gewerbe in Deutschland ausüben möchte, unterliegt damit automatisch der Gewerbeordnung, in der auch festgeschrieben ist, was der Gewerbefreiheit unterliegt. Um ein Gewerbe ausüben zu können, muss die Anmeldung beim Gewerbeamt vorgenommen werden. Das gilt auch für das Kleingewerbe, das beim Finanzamt beantragt werden muss. Der angehende Kleinunternehmer beantragt seinen Status gegenüber dem Finanzamt, denn dieses muss zustimmen. Das Finanzamt wird aber den Antrag an das zuständige Gewerbeamt weiterleiten, wenn keine Freiberuflichkeit vorliegt. Der Antragsteller bekommt in der Folge Post vom Gewerbeamt und muss auch hier zu den zu erwartenden Umsätzen Auskunft geben. Von diesen wiederum sind eventuell zu zahlende Gewerbesteuern abhängig. Wer sich als Kleinunternehmer anmeldet bzw. als Kleingewerbetreibender gilt, liegt mit seinem Einkommen aber unter der Grenze, die für die Erhebung von Gewerbesteuern gilt.
Ein Kleingewerbetreibender kann sich im Handelsregister eintragen lassen, damit wird der Gewerbetreibende ein Vollkaufmann, sein Unternehmen ein Handelsgewerbe. Daran ist der Unternehmer fünf Jahre lang gebunden, muss allerdings von nun an eine doppelte Buchführung vorweisen können.
Sonderregelung für Existenzgründer
Existenzgründer können sich für die Kleinunternehmerregelung entscheiden und müssen ihren Umsatz für das Jahr der Gründung erst einmal nur schätzen. Es gibt keine Ergebnisse aus dem Vorjahr, die herangezogen werden können. Stellt sich aber schon im Laufe des ersten Jahres heraus, dass diese Grenze nicht eingehalten werden kann, muss auch der Gründer zur Regelbesteuerung wechseln. Die Schätzung sollte daher realistisch ausfallen. Der Grund: Wer über die Umsatzgrenzen kommt, muss die eigentlich fällig gewordene Umsatzsteuer nachzahlen. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmer diese Steuer gar nicht eingenommen hat, denn eine korrigierte Rechnung auszustellen, ist zwar möglich, der Unternehmer hat aber kein gesetzliches Recht dazu, den Umsatzsteuerbetrag von seinen Kunden nachzufordern. Er muss die fällige Steuer notfalls aus eigener Tasche zahlen, was eine Mehrbelastung von einigen Tausend Euro bedeuten kann – und damit sogar die Insolvenz.
Wird nach dem ersten Jahr ersichtlich, dass die Umsatzsteuergrenze überschritten wurde, dass dies im folgenden Jahr aber nicht passieren wird, kann die Kleinunternehmerregelung aber nach wie vor angewendet werden.
Rechnungsstellung für Kleinunternehmer: Das ist zu beachten
Kleinunternehmer müssen entsprechend § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG binnen sechs Monaten nach Leistungserbringung eine Rechnung ausstellen, auf der aber keine Umsatzsteuer ausgewiesen sein darf. Hilfreich können hier kostenlose Vorlagen, ein Rechnungsgenerator oder ein Rechnungsprogramm sein. Außerdem muss der Unternehmer den Grund für das Fehlen der Umsatzsteuer nennen, was durch den allgemeinen Satz: „Entsprechend § 19 UStG wird keine Umsatzsteuer erhoben“ ausreichend dargestellt wird. Zusätzlich können die Pflichtangaben für eine Rechnung deutlich knapper ausfallen. Name und Anschrift von Unternehmer und Rechnungsempfänger sind zu nennen, dazu die Steuernummer des Unternehmers. Die Rechnung braucht eine fortlaufende Rechnungsnummer und ein Rechnungsdatum, des Weiteren müssen Art und Menge der Leistungen genannt werden. Liefer- und Leistungsdatum sind zu erwähnen, außerdem der Hinweis auf die zweijährige Aufbewahrungsfrist der Rechnung, wenn es sich um eine grundstücksbezogene Leistung handelt. Das Ausweisen des Rechnungsbetrags als Nettobetrag entfällt jedoch.