Notgedrungen nur mit Bargeld zahlen

Millionen Europäer leben ohne Konto. Vor allem der Osten ist betroffen.

Brüssel. Millionen Europäer leben ohne Bankverbindung. Nach Berechnungen der EU-Kommission haben selbst in den "alten" EU-Staaten - also im Westen Europas - nur acht von zehn Bürgern Zugriff auf ein Girokonto. In den neuen EU-Ländern im Osten hat es sogar fast die Hälfte der Menschen schwer, Beträge zu überweisen oder sich selbst Geld schicken zu lassen.

EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla ist deshalb besorgt. Finanzielle Ausgrenzung berge die Gefahr, ins gesellschaftliche Abseits zu geraten. "Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sie keine Arbeit bekommen, weil sie kein Konto für Überweisungen haben." Spidla schließt nicht aus, dass die EU-Kommission Richtlinien oder Verordnungen vorschlägt, wenn sich die Situation europaweit nicht bessert. Noch gebe es zwar keine konkreten Pläne. Aber Brüssel werde nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, falls sich nichts ändert.

In Deutschland sieht die Situation vergleichsweise entspannt aus. Die EU-Kommission kommt zum Ergebnis, dass sieben Prozent der Bürger kein Girokonto nutzen können. Drei Prozent bezeichnet Brüssel als "finanziell ausgegrenzt". Das allerdings bedeute nicht automatisch, dass sie von Banken und Sparkassen abgewiesen worden seien.

In einigen Fällen sei zum Beispiel keine Bank vor Ort, so dass es für Menschen ohne Zugang zum Computerbanking schwierig sei, Dienste in Anspruch zu nehmen. "Deutschland zählt, was die Versorgung mit Finanzdienstleistungen angeht, ganz sicher zu den besten EU-Staaten", erklärt Spidla auf Nachfrage. Allerdings gebe es auch in Deutschland Menschen, die vom Bankverkehr ausgegrenzt seien.

Nachdem es immer wieder Beschwerden gab, haben sich die deutschen Banken- und Sparkassenverbände 1995 freiwillig dazu verpflichtet, fast jedem Antragsteller ein Konto einzurichten - außer wenn Kunden pöbeln, lügen, die Gebühren nicht zahlen, kriminelle Dinge vorhaben oder das Konto mehr als ein Jahr lang überhaupt nicht benutzen. Ein negativer Schufa-Eintrag - also ein finanzielles Debakel in der Vergangenheit - reicht hingegen nicht als Ablehnungsgrund aus.