Bär, Elch und Igel im Vollrausch
Obst gärt im Magen nach — das gefällt vielen Tieren. Allerdings werden sie dadurch hungrig und verlieren ihre Menschenscheu.
Düsseldorf. Sich vorsätzlich besaufen oder auf andere Weise berauschen — das wird gemeinhin nur dem Menschen zugetraut. Den Tieren, so denkt man sich, passiert so etwas allenfalls aus Versehen. Doch aktuelle Ereignisse und Forschungen lassen Zweifel daran aufkommen.
So wird Schweden jeden Herbst aufs Neue von randalierenden Elchen heimgesucht. Der Grund: Die Tiere stopfen sich mit reifen Äpfeln voll, die dann in ihren Wiederkäuermägen nachgären und dabei reichlich Alkohol freisetzen. Und wie man das ja auch vom Menschen kennt: Die betrunkenen Tiere schieben Hunger — und brechen in Altersheime und Krankenhäuser ein, weil sie erkannt haben, dass es dort regelmäßige Mahlzeiten gibt.
Ähnlich rüde gehen auch die slowakischen Braunbären zu Werke. Um für ihren Winterschlaf gerüstet zu sein, fressen sie vergorenes Fallobst, bis der Alkohol ihre Menschenscheu ausschaltet und die Tiere zu Autoknackern und Mülltonnenplünderern werden lässt.
Für Robert Dudley von der University of California sind das klare Fälle von willentlicher Quartalssauferei. Ursprünglich mag ja das tierische Interesse für reifes Obst dadurch begründet gewesen sein, so der Biologe, „dass es einen absolut hohen Energiewert erreicht hat“. Doch wenn sich dann bei dessen Verzehr immer wieder ein wohliger Rausch einstellt, könne dieser schließlich zum Hauptzweck dieser Aktion werden.
Tierische Säuferkarrieren beginnen also wohl mit einem Versehen, doch später, so Dudley’s Resümee, „kommt der Vorsatz hinzu“. Hierzulande hört man im Sommer mitunter das Schnarchen von Dachsen, die im Gebüsch oder auch auf dem sonnenwarmen Straßenasphalt ihren Rausch ausschlafen. Der Grund: Die pelzigen Allesfresser können einfach nicht davon lassen, sich an überreifen Kirschen zu bedienen. Genauso, wie Schweine vor Freude quieken, wenn man ihnen den Trog mit Joghurt, Milch und Obstsaft füllt: Sie legen sich dann mit gestreckten Beinen in die Suhle und brauchen zwei bis drei Tage, bis sie wieder nüchtern sind.
Für den willentlich herbeigeführten Rausch unter Tieren spricht auch, dass ihnen - ähnlich wie bei Menschenkindern — der Alkohol eigentlich gar nicht schmeckt. Weswegen der Karlsruher Biologe Mario Ludwig betont, dass es so etwas wie den maßvollen Genusstrinker im Tierreich nicht gibt: „Hier hat der Drogengebrauch in der Regel auch den Rausch zum Ziel.“
Wie etwa bei den englischen Igeln. Die Stachelträger pilgern zielstrebig zu den Bierfallen, die im Garten zum Kampf gegen die Schnecke aufgestellt werden — und trinken sie leer. Wenn dann in der Falle noch eine ertrunkene Schnecke ist, fühlt sich der Igel erst recht im Paradies. „Eine mit Bier vollgesogene Schnecke ist für ihn wohl so etwas wie eine extra große Schnapspraline“, so Ludwig.
Was Elefanten gerne machen: In Häuser einbrechen, um dort die Wein- und Biervorräte zu plündern. Außerdem haben sie auch in der Natur einen Weg zum Vollrausch gefunden. Sie fressen große Rindenstücke des Marula-Baums, darin befinden sich oft Käferlarven, die ein als Nervengift wirkendes Alkaloid enthalten. Der Elefant nutzt es, um sich sein gewichtiges Leben vorübergehend etwas leichter zu machen.