Damit das Qi wieder fließt: Akupressur für Hunde
Obergünzburg (dpa/tmn) - Eine Akupressur tut nicht nur Menschen, sondern auch Hunden gut. Behandelt werden dieselben Punkte wie bei der Akupunktur. Anstelle von Nadeln werden die Punkte aber massiert.
Das soll unter anderem das Immunsystem stärken und Schmerzen abbauen.
Neben spielen, laufen und fressen gehört es wohl auf die „Hobbyliste“ der meisten Hunde: sich streicheln lassen. Hundebesitzer können dabei das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. „Akupressur“ heißt das Zauberwort. Dabei werden bestimmte Punkte massiert, was die Gesundheit der Tiere stärken soll.
Die Prinzipien sind die gleichen wie bei der Akupunktur, beide kommen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Nach dieser Lehre strömt die Energie eines Lebewesens durch die Meridiane. „Qi“ heißt diese Lebensenergie - ausgesprochen wird es als „Tschi“. Bei einem blockierten Energiefluss wird laut dieser Lehre das Lebewesen krank. „Der Unterschied zur Akupunktur ist, dass die Stellen massiert und nicht mit Nadeln gereizt werden“, sagt die Tierärztin Astrid Reitz aus dem bayerischen Obergünzburg, die auch die Behandlung mit Akupunktur anbietet.
Akupressur stärkt unter anderem das Immunsystem, lindert Schmerzen und löst Verspannungen. Krankheiten lassen sich damit zwar nicht heilen, aber der Heilungsprozess kann beschleunigt werden. „Akupressur ist auch prophylaktisch gut einsetzbar“, erklärt Reitz.
Die Vorteile der Akupressur: Jeder kann sie anwenden. Wenn er etwas falsch macht, hat das keine üblen Folgen. Im schlimmsten Fall wird der Punkt verfehlt, doch auch dann wird das als „Kuschelhormon“ bekannte Oxytocin ausgeschüttet. „Es wird bei angenehmen Berührungen freigesetzt, wirkt heilend und ist gut für die Mensch-Tier-Beziehung“, zählt die Tiertherapeutin Ute Ochsenbauer aus dem norddeutschen Wohlde auf.
Sie vergleicht die Meridiane, in denen laut TCM die Energie im Körper zirkuliert, mit Gartenschläuchen. Wenn diese einen Knick haben, kann das Wasser nicht mehr fließen. Nicht anders soll es sich bei einem blockierten Energiefluss im Körper verhalten. Akupunktur und -pressur sorgen für ungehinderten Durchfluss.
„Akupunktur ist natürlich deutlich wirksamer als die -pressur“, sagt die Tierärztin Susanne Hauswirth aus Börm in Schleswig-Holstein. Um den Energiefluss offen zu halten, müsse täglich pressiert werden. Bei einer Akupunktur bleibe dieser jahrelang oder sogar für immer offen. Ochsenbauer meint dagegen, dass auch eine Pressur Blockaden auflösen könne. Ebenfalls wirksam ist sie, wenn Hunde etwa Angst vor dem Autofahren oder dem Tierarzt haben.
Wie stark gedrückt oder gerieben wird, hängt vom Hund ab. Reagiert er unwirsch, sollte die Pressur geändert werden. So kann zum Beispiel nur mit dem Daumen, mit mehreren Fingern oder mit dem Handballen massiert werden. Generell gelte, dass eine Massage mit dem Uhrzeigersinn für weniger Energie sorge. Empfehlenswert sei das etwa bei hyperaktiven Tieren. Bei einer Bewegung gegen den Uhrzeigersinn werde Energie zugeleitet.
„Die meisten Tiere mögen Akupressur, vor allem Schmusehunde“, ist die Erfahrung von Hauswirth. So würden sich etwa Labradore oder Golden Retriever wohl am liebsten stundenlang behandeln lassen. Eher unruhige Hunde wie Border Collies halten das Liegen oder Stillsitzen nicht so lange aus. „Das gilt auch bei jungen Hunden. Sie sollte man nur kurz massieren und die Hunde dann schnell wieder entlassen“, rät die Tierärztin Hauswirth.
Wenn der Tierbesitzer bei seinem Vierbeiner den richtigen Punkt erwischt hat, ist das laut Hauswirth nicht zu übersehen. Die Hunde gähnen, entspannen sich und lassen sich manchmal einfach zur Seite fallen. Ob der Hund bei der Akupressur steht, sitzt oder liegt, ist nebensächlich: Hauptsache, er fühlt sich wohl.
Hauswirth rät Besitzern, sich an einen Tierarzt zu wenden, der auch Akupunktur anbietet. Dieser kann ihnen genau sagen, welche Akupressur-Punkte für ihr Tier am sinnvollsten sind und sie ihnen zeigen. „Wenn man sie nur beschreibt, ist das oft schwer zu verstehen“, sagt sie.
Die Tierärztin Margrit Rogalla aus dem hessischen Nidderau sieht es dagegen nicht gerne, wenn unerfahrene Tierbesitzer ihren Hund mit Akupressur behandeln. „Akupressur hat Auswirkungen - wenn man es kann, sind es positive“, sagt sie. Für Akupressur sei viel Erfahrung nötig, ansonsten könnten falsche Punkte behandelt werden. Es nütze nichts, sich einmal vom Tierarzt die richtigen Punkte und deren Behandlung zeigen zu lassen. Denn diese würden sich stets verändern. Außerdem sei auch die innere Einstellung bei einer Akupressur wichtig. „Wenn der Tierhalter unausgeglichen ist und sein Tier mit Akupressur behandelt, überträgt sich die Unausgeglichenheit garantiert auf das Tier.“