Kutschfahrschule in Leichlingen Die Freiheit hinter dem Rücken der Pferde

Trainerin Petra Wienzek betreibt eine Kutschfahrschule in Leichlingen. Sie bildet Mensch und Tier aus. Besonders ins Herz geschlossen hat sie einen Rentner.

Petra Wienzek und ihre rechte Hand Jutta Dworak (o.r.) auf Ausfahrt mit der Wagonette. Bei diesem offenen Kutschentyp sitzen sich die Gäste gegenüber.

Foto: Beier (4)/Reiter

Leichlingen. Haben Sie schon einmal etwas von einem Oberblattstrupfenschnallenstößeldorn gehört? Wenn nein, dann gehören Sie nicht zum erlauchten Kreis der Pferdekutschenlenker. Dieses Teil gehört — einfach ausgedrückt — zur Ausstattung des Reitgeschirrs, mit dem die Zugpferde vor die Kutschen gespannt werden. Wenn man sich einen normalen Gürtel vorstellt, dann ist ein Oberblattstrupfenschnallenstößeldorn der Dorn in der Gürtelschnalle.

Dies und vieles mehr in Sachen Kutschen weiß Petra Wienzek. Die Solingerin ist nicht nur eine passionierte Fahrerin, sie hat als Trainerin sowohl der Leistungssportklasse A als auch der Breitensportklasse B schon viele Prüflinge fit für den Straßenverkehr gemacht. Wie viele, weiß Petra Wienzek, die eine Kutschfahrschule in Leichlingen betreibt, nicht. „Die habe ich nie gezählt“, agt sie mit einem Schmunzeln. Erst am vergangenen Samstag haben es acht ihrer Prüflinge geschafft. „Bei mir fällt niemand durch“, sagt Petra Wienzek selbstbewusst. Die 54-Jährige bietet pro Jahr ein bis zwei Lehrgänge an, die im Frühjahr oder im Frühherbst stattfinden Zum Angebot der Kutschfahrschule zählen auch noch Hochzeits- und Gesellschaftfahrten sowie Training an der Longe.

Die Trainerin bildet in ihrem Reitstall in Leichlingen freilich nicht nur Menschen aus, sondern auch die Pferde. Aktuell stehen zehn Tiere im Stall, drei davon gehören Petra Wienzek. Besonders ins Herz geschlossen hat sie den Friesen Heinse. Der ist bereits 23 Jahre alt und damit seit eineinhalb Jahren Rentner, nicht mehr aktiv im Kutschengeschäft, aber Mensch und Tier verbindet eine besondere Geschichte. Heinse stand im Alter von zehn Jahren mit drei Beinen auf der Schlachtbank. „Der hat alle getreten und gebissen, mit ihm ist niemand fertig geworden“, erinnert sich Petra Wienzek. Ihrem Entschluss, Heinse eine (Überlebens-)Chance zu geben, folgten drei Monate Kampf. „Der hat mich echt an die Grenze gebracht“, gesteht die erfahrene Trainerin.

Ihr Credo ist, die naturgegebene Neugierde der Pferde für die Ausbildung zu nutzen. Von Zwang jedweder Form hält sie nichts. Heinse auch nicht, das hatte ihn ja einst beinahe den Kopf gekostet. Nach drei Monaten hatte die Überzeugungsarbeit von Petra Wienzek gefruchtet — und Heinse war fortan ein zuverlässiges und treues Zugpferd. Mittlerweile ist er in Ehren ergraut, mit seinem Stockmaß von 1,63 Meter und 600 Kilo Gewicht aber nach wie vor ein imposantes Tier. „Seit Heinse aus dem Training ist, hat er etwas Muskelmasse verloren. Er ist aber immer noch gut in Form“, sagt Petra Wienzek stolz.

Heinses Job als Zugtier haben mittlerweile andere übernommen, zum Beispiel Wieke (9). Sie zieht zusammen mit einem weiteren Pferd zum Beispiel eine Wagonette. Die Wagonette hat die Sitzreihen für die Gäste so angeordnet, dass sie sich gegenüber sitzen. Die gefederten Räder sorgen für Sitzkomfort, sogar Scheibenbremsen gibt es. Die sind aber mit Vorsicht zu genießen. „Die Schüler müssen lernen, nicht zu bremsen“, erklärt Petra Wienzek. Da die Pferde ausgebildete Zugtiere sind, ist bremsen für sie ein Signal zu starten. „Sie spüren den Widerstand und arbeiten dagegen“, so die Erklärung. Die Zugpferde sind laut Petra Wienzek so stark, dass sie sich davon nicht stoppen lassen.

Wie das geht, ist Teil der Ausbildung, die ab 500 Euro kostet. Die dauert für Basisschüler etwa sechs bis acht Wochen. Ein bis zwei Mal pro Woche steht die Theorie auf dem Lehrplan. Zusätzlich sind noch mindestens zehn Stunden Praxis angesagt, bis es für die Kutschfahrer in spe Richtung Prüfung geht. Zwei Richter überzeugen sich dann in Theorie und Praxis, ob der Kutschfahrschüler das Zeug dazu hat, gefahrlos am Straßenverkehr teilzunehmen. Das wiederum hält Petra Wienzek für unerlässlich: „Es ist schon sehr wichtig, dass man die Pferde im Griff hat, sonst wird es lebensgefährlich.“ So mancher Autofahrer überhole zum Beispiel die Kutschen mit einem zu geringen Abstand. Das kann dazu führen, dass die Zugpferde nervös werden. Wenn sie Angst bekommen, kann sie nur ein erfahrener Kutscher im Zaum halten. Bisher sieht die Straßenverkehrsordnung keinen verbindlichen Führerschein vor.

Mehr Infos zu den Angeboten der Kutschfahrschule unter kutschfahrschule.de