Filmtier-Agentur vermittelt Models mit acht Beinen

Neu Wulmstorf (dpa) - Agenturen für zweibeinige Models gibt es viele. Doch bei Fotomodellen mit vier, acht oder gar tausend Beinen sieht es ganz anders aus. André Weselohs Filmtier-Agentur ist darauf spezialisiert.

Ein unauffälliges, graues Einfamilienhaus in einem ganz normalen Wohngebiet: Doch schon hinter der Gartenpforte der Weselohs im niedersächsischen Neu Wulmstorf wartet ein kleiner Privatzoo. Ein Stinktier lugt aus seiner Behausung, die Stachelschweine schlummern noch. In einem großen Käfig wuseln Frettchen umher, zwei Hunde begrüßen bellend den Besucher. Hinter der Haustür herrscht tropische Wärme, es riecht nach feuchtem Dschungel. In den Zimmern stapeln sich Terrarien bis zur Decke. Liebevoll gestaltet beherbergen sie Echsen und Schlangen, Käfer und Präriehunde, Skorpione und Spinnen. Die Tiere warten auf ihren nächsten Einsatz: Sie alle sind Fotomodelle.

„Die meisten Tiere, mit denen wir arbeiten, halten wir nicht selber“, sagte André Weseloh. Dem 30-Jährigen gehört die Filmtier-Agentur. „So vielen Tieren könnten wir nicht gerecht werden“, erklärt er. „Wir arbeiten mit Züchtern und kleinen Zoos zusammen. Auch Tiere von Privatpersonen haben wir in unserer Kartei“.

Weselohs Schwester Julia betritt den Raum, auf der Hand eine Vogelspinne. „Eigentlich bin ich mehr für die Vierbeiner zuständig“, sagt die 21-Jährige. Thekla heißt das achtbeinige Model aus Südamerika, das über Julias Finger wandert. Thekla ist eine Rote Chile-Vogelspinne, ein prächtiges Weibchen. Sie hatte schon einige Einsätze, auch als schmückendes Beiwerk in der Aktfotografie.

„Wenn ein Tier nicht will, nehmen wir lieber ein anderes“, sagt Julia Weseloh. „Es ist wie bei Menschen: Man mag sich oder man mag sich nicht - das gilt auch für Frettchen“, ergänzt ihr Bruder.

Auf dem Gehöft eines Freundes im 20 Kilometer entfernten Harsefeld leben die großen Tiere der Weselohs. „Dort gibt es Damhirsche und südamerikanische Alpakas, Ziegen und Schafe, ein Pony und einen Esel“, listet Weseloh auf. Der gelernte Gärtner ist durch die Vogelliebhaberei auf die Idee mit der Agentur gekommen. „Wir waren im Vogelverein und als Züchter auf Ausstellungen, so hat es angefangen. Dann kamen immer mehr Tiere dazu“, erklärt er. „Seit etwa zwei Jahren können wir davon leben.“

Weseloh sucht für seine Kartei auch ganz gewöhnliche Hunde oder Katzen, nicht nur Mini-Schweine und kleine Affen. „Meist spielen die Tiere nur sich selbst. Wir brauchen unkomplizierte und umgängliche Tiere - etwa einen Hund, der Fernsehen schaut, weniger Artisten“, sagt er. „Der Hund ist ein Tier, das immer läuft. Da können wir so ziemlich jede Rasse anbieten.“ Bei Sonderwünschen zieht er eine ausgebildete Hundetrainerin zu Rate.

Die Kunden kommen aus der Werbung, von Film und Fernsehen, berichtet Weseloh. So seien seine tierischen Stars schon in ZDF- Krimis, der Mercedes-Werbung und dem RAF-Drama „Wer, wenn nicht wir“ zu sehen gewesen. Das Schweinchen Renate wird demnächst die Titelseite eines bekannten Nachrichtenmagazins schmücken.

Unrealistische Wünsche lehnt Weseloh ab. „Wenn sich jemand einen Leoparden wünscht, der Männchen macht und dabei Pfötchen gibt, dann müssen wir den Kunden sanft auf den Boden der Tatsachen zurückholen“.

„Für die Arbeit müssen wir die Eigenarten der Tiere kennen: was sie mögen und - noch wichtiger - was sie nicht mögen“, sagt Weseloh. Ganz wichtig sei es, mit ihren natürlichen Instinkten zu arbeiten. „Ebenso entscheidend ist die räumliche Nähe, die Gewöhnung an Menschen und andere Tiere. Einmal abends herausholen und streicheln reicht nicht“, ergänzt er.

Manchmal helfen auch kleine Tricks bei dem Einsatz vor der Kamera. Für ein Reptilienbuch etwa sollte eine Kragenechse ihren Halsschmuck aufstellen. „Da haben wir ihr eine Katze vorgesetzt, das hat bei der Echse das Drohverhalten ausgelöst“, verrät Weseloh. Soll sich die Vogelspinne Thekla bedrohlich aufrichten, dann müsse man sie nur mit einem Strohhalm anpusten. „Und wenn sich ein Schmetterling auf eine Wange setzen soll, betupfen wir sie mit Alkohol - auf einen schönen Likör fliegen die!“

Was braucht er für seine Kartei noch? Weseloh denkt ein Weilchen nach: „Ein Baummarder wäre schön“, sagt er dann. Übrigens: Tausendfüßer haben keine tausend Beine, weiß Weseloh. Aber ein paar hundert seien es schon.