Mund-zu-Nase-Beatmung und Schnauze zu - Erste Hilfe am Hund
Kiel (dpa) - Die beiden jungen Frauen knien auf dem Boden eines Seminarraums des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Kiel. Vor ihnen liegt ein großer Plüschhund. In den Händen halten sie ein gefaltetes Dreieckstuch.
Mit diesem sollen sie dem Stofftier die Schnauze zubinden. Zu ihrem eigenen Schutz.
Was sich anhört wie ein Spiel, hat einen ernsten Hintergrund. Rebecca Jäkel und Charlotte Grieger absolvieren an diesem Vormittag einen Erste-Hilfe-Kurs speziell für Hunde. Sie üben wie alle der etwa zehn Teilnehmer, wie man den Fang eines verletzten Tiers zubindet, um nicht gebissen zu werden. Denn auch helfende Hände sind vor Bissen nicht sicher, wie Kursleiter Markus Nolte an diesem Vormittag noch häufiger sagen wird.
Er gibt Tipps zum Zubinden, das für Ungeübte nicht ganz einfach zu sein scheint: „Ich selber bevorzuge es, eine Schlaufe zu machen, sie über die Schnauze zu legen, festzuziehen und hinten zuzubinden.“ Er rät den Teilnehmern, das Schnauzeverbinden und auch die anderen Übungen in einer ruhigen Minute mit ihrem eigenen Hund zu üben. „Man muss immer gucken, klappt das bei meinem Hund so oder nicht. Ich ermutige sie zur Kreativität“, sagt er. Denn die Schnauze eines Dackels zuzubinden mag ja noch gehen, „aber versuchen sie das mal bei einem Mops.“
Rund drei Stunden hat Nolte Zeit, Hundebesitzern und -freunden die Grundlagen der Erstehilfe am Hund beizubringen. Er zeigt ihnen, wo man bei Hunden den Puls fühlt, wie die stabile Seitenlage aussieht oder was bei Atemnot zu tun ist. „Erste Hilfe beim Hund funktioniert im Prinzip wie beim Menschen“, sagt er. „Es sind ja beides Säugetiere.“
Doch anders als bei Menschen gebe es keine funktionierende Rettungskette. Ersthelfer können nicht die 112 wählen und auf den Krankenwagen warten. „Wenn alle Punkte der Ersten-Hilfe abgearbeitet sind, stehen sie vor dem Problem, wohin mit dem Hund und wie“, sagt Nolte. Denn in Kiel beispielsweise gebe es keinen Tierrettungsdienst oder eine Tiermedizinische Klinik mit Notaufnahme.
Anders sieht das rund 40 Kilometer weiter westlich in Rendsburg aus. „Wir sind rund um die Uhr dienstbereit“, sagt Tierarzt Peter Stechmann von der Tierärztlichen Klinik für Kleintiere Stechmann & Seidel. Patienten mit klaffenden Wunden oder andere Notfällen würden sofort behandelt. An einem Sonntag laufen schon mal 12 bis 20 Notfälle in der Klinik auf, von Bisswunden über Unfälle und akuten Durchfallerkrankungen bis hin zu Vergiftungen: „Die ganze Notfallpalette.“
„Die Tierbesitzer hier in Rendsburg sind gut versorgt“, sagt Stechmann. In anderen Orten könne es da schon eher Probleme geben. Astrid Behr vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte (BPT) rät Tierbesitzern daher, mit ihren Veterinären zu sprechen, wie sie im Notfall zu erreichen sind. Auch die Nummer der nächsten Tierklinik, die einen Notdienst haben muss, sollte man parat legen.
In Kiel steht nun die nächste Übung an - die Wiederbelebung. Geübt wird an einem sogenannten Übungsphantom, einem auf der Seite liegenden, „etwas zu klein geratenen“ Labrador aus Kunststoff. Nolte nimmt ein Schaumstoffstück aus dem Hund heraus und eine Art lange durchsichtige Plastiktüte in die Hand. Dies sind quasi Lunge und Luftröhre des Tieres, die für jeden Teilnehmer aus hygienischen Gründen neu in den Dummy eingefädelt werden müssen. Das offene Ende der „Tüte“ wird dem Plastikhund über die Nase gestülpt.
Die Kursteilnehmen müssen nun prüfen, ob das Tier wirklich bewusstlos ist, dann die Herz-Lungen-Massage: Rhythmisch auf den Brustkorb drücken, anschließend kräftig in die Nase des Hundes pusten. Mund-zu-Schnauze-Beatmung funktioniert nicht: „Sonst müssten sie ja den ganzen Fang in den Mund nehmen“, sagt Nolte. „Und das machen sie so oft, bis der Hund wieder zappelt oder ein möglichst alarmierter Tierarzt kommt.“
„Das ist schwieriger als ich gedacht habe“, sagt Diana Hoffmann. Sie ist seit mehr als 25 Jahren Hundebesitzerin und froh, an dem Kurs teilzunehmen. „Es war immer mein Wunsch, so etwas mal mitzumachen“, sagt sie. Denn es könne ja immer etwas passieren. Der Hund könnte sich an Scherben verletzten, gebissen werden, vergiftet werden, vor ein Auto laufen.
„Sinnvoll kann so ein Kurs durchaus sein“, sagt Thomas Steidl. Der Tierarzt aus Tübingen ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Kleintiere bei der Bundestierärztekammer. Er rät dazu, sich vorher genau über Kursinhalte und die Qualifikation des Kursleiters zu informieren, denn „Erste-Hilfe-Kurse für Tiere darf ja - leider - jeder ohne besondere Qualifikation anbieten“.
Auch Tierärztin Behr vom BPT hält solche Kurse für gut. „Viele wissen einfach nicht, wie sie im Notfall handeln sollen.“ So würde auf Brandverletzungen oft einfach Salbe geschmiert, „dabei ist das absolut kontraproduktiv.“
Für Nolte haben die Kurse noch einen anderen Sinn - die Menschen setzen sich mal wieder grundsätzlich und freiwillig mit erster Hilfe auseinander. „Das scheint den Leuten schwerer an Menschen als an Tieren zu fallen.“