Leibniz-Institut Ostersymbol mit Wohnungsnot: Als Feldhase hat man es schwer
Berlin (dpa) - Wären es tatsächlich die Hasen, die Oster-Naschereien im Garten verstecken, gäbe es von Jahr zu Jahr weniger Süßes: Nur noch zwei bis drei Millionen Feldhasen gibt es nach verschiedenen Schätzungen in Deutschland.
„Die Tendenz ist seit zehn Jahren stark rückläufig“, sagt Jörns Fickel, Leiter der Abteilung Evolutionsgenetik am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin.
Ausgelieferte Ostereier kämen zudem zu Eischaum geschlagen an: Der Europäische Feldhase (Lepus europaeus) kann bis zu 80 Kilometer pro Stunde schnell sprinten und ist berühmt für sein wildes Hakenschlagen und weite, bis zu zwei Meter hohe Sprünge. Außerdem hat er im Frühling besseres zu tun - Balz und Paarung stehen an. So mancher Spaziergänger konnte die wilden, an Boxkämpfe erinnernden Auseinandersetzungen der Tiere in den vergangenen Wochen beobachten.
„Das sind nicht nur Männchen, die sich um die Weibchen zanken“, erklärt Andreas Kinser, Feldhasen-Experte der Deutschen Wildtier Stiftung. „Es ist auch so manche Häsin darunter, die sich gegen zudringliche Verehrer wehrt.“ Ruppig oder sanft, klar ist bei der Paarung immer: Die Häsin ist es, die den Partner wählt.
Seit Anfang März hocken nun immer mehr Junghasen auf Feldern und Wiesen. Auf eine Häsin können in einer Saison theoretisch mehr als 30 Nachkommen zurückgehen - Enkel-Häschen eingeschlossen. Theoretisch. „Nur ein einstelliger Prozentsatz der Junghasen überlebt das erste Jahr“, sagt Kinser. Vor allem in den ersten Lebenswochen sterben bei schlechter Witterung viele Häschen. Andere enden in den Mägen verschiedener Beutegreifer. Zu den Hauptfeinden zählen Füchse, Krähen, Dachse, Katzen und Greifvögel.
Das Phänomen, ein von allen Gejagter zu sein, bleibt dem Hasen lebenslang erhalten. „Die biologische Rolle des Feldhasen ist die, gefressen zu werden“, sagt Kinser. Hinzu komme, dass die Feldhasen im Spätsommer oder Frühherbst fast immer von Krankheitswellen oder Parasiten dezimiert würden.
Ursache sei die evolutive Vergangenheit der Feldhasen, erklärt Fickel. „Sie sind aus einem eiszeitlichen Refugium, das in Italien lag, nacheiszeitlich nach Mitteleuropa eingewandert und nicht gut an nass-kalte Böden angepasst, ihr Fell ist nicht gefettet.“
Größte Gefahr allerdings ist eine ganz besondere Spezies: der Mensch. „Feldhasen brauchen Kräuter, die in früher breiten und überall vorhandenen Rainen wuchsen“, sagt Helmut Brücher, Sachverständiger für geschützte Arten beim Naturschutzbund (Nabu). „Heute gibt es große Feldschläge ohne Strukturen.“ Typische Ackerwildkräuter und die sie bestäubenden Insekten stünden teils auf den Roten Listen.
„Der Hase hätte zum Beispiel weniger Probleme im Leben, hätte er mehr Versteckmöglichkeiten“, ergänzt Kinser. Zudem werden viele Junghasen beim Umpflügen und bei der Mahd getötet. „Es gibt immer mehr Frühjahrskulturen wie den Mais für die Biogasanlagen“, erklärt Kinser. Etliche kleine Häschen würden da schlichtweg untergepflügt.
Mit der Intensivierung der Landwirtschaft in den 70er Jahren ging es rasant bergab mit der Zahl der Feldhasen in Deutschland - und die Spezies landete auf der Roten Liste bedrohter Arten. In den östlichen Bundesländern, wo sich viele riesige Ackerflächen reihen, gibt es besonders wenige Hasen. Hot-Spots sind Küstengebiete und Bördelandschaften. Die meisten Hasen gebe es in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Schleswig-Holstein, ergänzt Fickel.
Auch Stadthasen gibt es. „In Berlin und Hamburg zum Beispiel“, sagt Kinser. Im Fall der Hauptstadt sei hauptsächlich der Ostteil bevölkert, erklärt Fickel. „Der Westteil der Stadt ist fest in Kaninchenhand.“