Richtige Nesthocker: Papageienjunge brauchen lange ihre Eltern
Bretten (dpa/tmn) - Papagei ist nicht gleich Papagei: Bekannt sind mehr als 340 Arten. Jungvögel brauchen recht lange, bis sie sich von den Eltern abgenabelt haben. Die Aufzucht sollten Halter deshalb nicht selbst übernehmen.
Ein Leben lang halte die Freundschaft, wenn sich Mensch und Vogel gefunden haben, verspricht Hildegard Niemann. Die Diplombiologin in Bretten in Baden-Württemberg berät seit mehr als zehn Jahren Papageienhalter. Von den mehr als 340 bekannten Papageienarten sind etwa 80 in deutschen Haushalten zu finden. Manche Arten werden bis zu 60 Jahre alt — Begleiter für ein ganzes Leben.
Wer sich einen Papagei zulegen will, sollte sich daher fragen, ob ein junges Tier die richtige Wahl ist. Außerdem sollte er das Papageienjunge nicht zu früh in seine Obhut nehmen: „Der Vogel muss erst lernen, sich wie ein Vogel zu benehmen“, sagt Niemann.
Mindestens drei Monate alt sollten Papageien sein, bevor sie zum Halter wechseln, rät Cyrill Sauer, Tierarzt in der Oberlausitz. „Besser ist, dass sie schon ein halbes Jahr alt sind.“ Der Grund: Viele Papageienarten haben eine lange Kindheit. Von ihren Eltern, aber auch anderen Papageien lernen sie nicht nur, was und wie sie fressen können, sondern auch arttypisches Verhalten. Nach Meinung von Hildegard Niemann sollten Papageien daher sogar mindestens zehn Monate alt sein, bevor sie von ihren Eltern oder ihrer Bezugsgruppe getrennt werden.
In jedem Fall gilt: Der Vogel muss von alleine fressen, bevor ein Züchter ihn abgibt. Alles andere ist Tierarzt Sauer zufolge unverantwortlich. Daher brauche ein Papageienhalter kein spezielles Jungtierfutter. Ob noch jung oder schon erwachsen: „Papageien sollten mit einer ausgewogenen Körnermischung gefüttert werden, möglichst ohne Erdnüsse“, rät Sauer. Außerdem sollte der Vogel Obst und Gemüse sowie idealerweise ein pulverförmiges Mineralstoffpräparat bekommen.
Verhaltensberaterin Niemann empfiehlt, beim Kauf eines Jungvogels ein wenig Handaufzuchtfutter mitzunehmen. „Das ist ein Brei, den man mit einer Spritze oder einem Löffel verfüttert.“ Denn es könne passieren, dass sich ein Papagei in seiner neuen Umgebung unsicher fühlt und in ein Nestlingsverhalten zurückfällt. Der Vogel jammert dann um Aufmerksamkeit, bettelt und frisst unregelmäßig. Selbst nachzufüttern könne dem Tier dann Sicherheit geben, bis es sich eingelebt hat, erklärt Niemann.
Papageien selbst von Hand aufzuziehen, lehnt die Expertin jedoch strikt ab. Und auch, wer ein Vogelpärchen hält und dieses brüten lässt, sollte sich nicht einfach auf die Elternvögel verlassen. „Die Elterntiere erziehen selbst, aber man muss das kontrollieren“, sagt Niemann. Wie das geht, könne man zwar in Workshops lernen. Aber auch Sauer rät: „Ich würde niemals jemandem ohne Erfahrung empfehlen, Tiere nachzuzüchten.“ Nach aktueller Gesetzeslage — zum kommenden Jahr wird sich das ändern — brauchen Hobbyzüchter außerdem eine behördliche Genehmigung.
Wer keinen Nachwuchs will, sollte den Tieren daher keine Brutmöglichkeit zur Verfügung stellen und die gelegten Eier gegen künstliche austauschen.
Halter sollten einem jungen Papagei genügend Ruhe und Zeit zum Spielen gönnen. „Junge Tiere brauchen zehn bis zwölf Stunden Nachtschlaf“, sagt Niemann. Wichtig sei auch ein Mittagsschläfchen. Außerdem müssten die intelligenten Tiere viel spielen und erzogen werden. „Erziehung funktioniert aber nur über positive Verstärkung.“ Papageien seien gesellig, aber nicht sozial: Ein Papagei könne nicht warten und ein Nein akzeptieren. „Verhaltensweisen, die ich häufiger sehen will, muss ich daher ausdrücklich loben, und wenn der Papagei etwas nicht mehr machen soll, dann muss ich ihm Alternativen anbieten.“
Der Käfig sollte artgerecht sein, besonderes Equipment für Jungtiere braucht man aber nicht. Ein junges Tier brauche auch keine speziellen Impfungen, erklärt Cyrill Sauer. Halter sollten mit dem Tier nach dem Kauf aber bald zum Tierarzt gehen. Außerdem müssen einige Papageienarten behördlich gemeldet werden. Welche das sind, stehe in der Bundesartenschutzverordnung, erklärt Lorenz Haut, Geschäftsführer des Bundesverbandes für fachgerechten Natur- und Artenschutz (BNA). Die zuständige Behörde variiere jedoch je nach Bundesland. „Einfach einmal bei der Stadt anrufen und nachfragen“, rät daher Hildegard Niemann.
Meldepflichtige Tiere müssen außerdem vom Züchter gekennzeichnet sein: „Wenn kein Ring sichtbar ist, sollte im Herkunftsnachweis stehen, dass der Vogel einen Transponder hat“, sagt Haut.
So unterschiedlich die Arten, so unterschiedlich sind auch die Jungtiere. Die meisten Papageien gehen durch eine ein- bis zweijährige Pubertät, die für die Halter sehr anstrengend sein kann. Wellensittiche und einige andere Sitticharten sind laut Niemann anders: Sie werden schnell erwachsen, durchleben eine schnelle, unauffällige Pubertät und können schon mit acht bis zehn Wochen zum Halter wechseln. Wer einen Papagei halten möchte, sollte sich daher vorher über die Art informieren und sich der langjährigen Verantwortung für das Tier bewusst sein.