Trauer ums Haustier: Kindern die Wahrheit sagen
Rostock (dpa/tmn) - Liegt das Haustier tot im Käfig, ist die Trauer bei Kindern oft groß. Eltern fühlen sich in dieser Situation hilflos. Einfach ein neues Tier zu kaufen, ist aber keine Lösung. Besser ist es, Kindern ihre Gefühle zuzugestehen und mit ihnen zu trauern.
Tim und Hündin Nicky sind unzertrennlich. Der Labrador folgt dem Sechsjährigen auf Schritt und Tritt. Als das Tier einige Wochen später morgens nicht mehr aufstehen will, ahnen Tims Eltern das Schlimmste. Ein Besuch beim Tierarzt bringt schließlich die Gewissheit: Die Hündin muss eingeschläfert werden. Auf die Trauer, die Tim in den nächsten Tagen überkommt, waren die Eltern nicht vorbereitet. Hilflos sehen sie zu, wie ihr Kind jeden Tag vor dem leeren Körbchen steht. Würde ihn ein neues Tier von seiner Trauer ablenken? Sollen sie den Hund im Garten bestatten? Wenn ein Haustier stirbt, stellen sich Eltern viele solcher Fragen. Fachleute raten, offen mit der Trauer umzugehen und nichts zu beschönigen.
In jedem Fall sollten Eltern Kinder in ihrem Schmerz ernst nehmen. Das gilt auch, wenn ein kleines Tier gestorben ist. Denn die Beziehungsqualität zwischen Kind und Tier hat nichts mit dessen Größe zu tun oder der Bedeutung, die ihm Erwachsene beimessen: „Ein Kind kann auch um eine Maus trauern“, sagt Andrea Beetz, die am Institut für Sonderpädagogik der Uni Rostock lehrt.
Die Verbindung zwischen Kindern und Tieren sei meist sehr eng: „Tiere werden wie Familienmitglieder oder Freunde behandelt“, sagt Beetz. Studien hätten mittlerweile belegt, dass Kinder mit Tieren weniger gestresst sind, sich mehr zutrauen und auch leichter auf andere Kinder zugehen können. Stirbt das Tier, ist der Schock deshalb groß. Umso wichtiger ist dann die Reaktion von Mutter und Vater.
„Auf keinen Fall sollten Eltern den Tod geheim halten“, sagt Silke Haase, Psychotherapeutin in Berlin. Beispielsweise dann, wenn das Tier während der Schulzeit sterben würde. Manche Eltern kämen auch auf die Idee, schnell ein neues Tier in den Käfig zu setzen und darauf zu hoffen, dass der Unterschied nicht auffällt. „Besser ist es, wenn Kinder den ehrlichen Grund für den Tod des Tieres erfahren. Sie spüren ohnehin, wenn Eltern ihnen etwas verheimlichen.“
Stirbt das Tier überraschend, bleibt meist keine Chance, Kinder einzubinden. Anders sieht es aus, wenn das Tier schon länger leidet und der Tierarzt es einschläfern soll. Grundsätzlich könnten Kinder bei dieser Prozedur dabei sein. „Eltern sollten aber vorher abklären, ob die Kinder das wollen“, rät Haase. Nach Erfahrung von Andrea Beetz können Kinder mit der Situation beim Tierarzt unterschiedlich gut umgehen. Wichtig sei, mit den Kindern über das Erlebte zu sprechen.
Wie Kinder den Tod eines Haustieres verkraften können, ist auch Thema des Kinderbuches „Adieu, Herr Muffin“. Der schwedische Autor Ulf Nilsson hat das Buch über das sterbende Meerschweinchen aus der Perspektive seiner Tochter geschrieben. „Der Tod eines Meerschweinchens kann für Kinder härter sein als der Tod eines Verwandten im Krankenhaus“, sagt Nilsson. Ihm sei es in der Geschichte darum gegangen, Worte für die Trauer zu finden. „Wenn Kinder eine Sprache dafür haben, können sie besser mit der Situation umgehen.“
Ganz gleich, auf welche Art und Weise das Haustier stirbt, wichtig sind für Kinder Trauerrituale. Dies kann ein Abschiedsbrief sein oder die eigene Decke, die mit ins Grab gelegt wird.
Zur Wiedergutmachung kaufen viele Eltern ein neues Haustier. Das sei aber genau das Falsche, sagt Haase: „Damit geht man einfach über die Trauer hinweg.“ Für Kinder sei es aber eine wichtige Erfahrung, dass manche Dinge unersetzbar sind.
Literatur:
Ulf Nilsson: Adieu, Herr Muffin, Moritz, 40 Seiten, 12,80 Euro, ISBN-13: 9783895651489