Vom Erbe bleibt jetzt mehr übrig
Nahe Verwandte zahlen geringere Steuern auf den Nachlass. Der Freibetrag bleibt bei 20000 Euro.
Düsseldorf. Zum 1. Januar 2010 gab es beim Erbrecht sowie beim Erbschaftsteuerrecht wichtige Änderungen. Nahe Verwandte zahlen nun wieder weniger Erbschaftsteuer. Schenkungen lassen sich besser planen und gezielter übertragen.
Nach massiver öffentlicher Kritik zahlen Geschwister, Neffen, Nichten, Schwiegerkinder, Schwiegereltern sowie Ex-Ehegatten beim Erben nun wieder weniger als weiter entfernte Verwandte oder Dritte. Der seit 2009 geltende Eingangssteuersatz wurde für sie von 30 auf 15 Prozent reduziert, der Spitzensteuersatz von 50 auf 43 Prozent. Der Freibetrag bleibt bei 20 000 Euro. Die steuerliche Entlastung greift jedoch erst ab 2010, eine rückwirkende Reduzierung der Steuersätze ist bis dato nicht vorgesehen. Ein Steuerbeispiel zu den Auswirkungen: Die Tante lebt mit ihrem Neffen in ihrem Einfamilienhaus. Die Immobilie hat einen Steuerwert von 300 000 Euro.
Der Fall im Jahr 2010 - die Tante entschließt sich, das Haus ihrem Neffen zu übertragen. Es greifen die neuen niedrigeren Erbschaftsteuersätze mit einer steuerlichen Belastung von 56000 Euro (300000 Euro abzgl. Freibetrag von 20.000 Euro x Steuersatz 20 Prozent).
Dagegen der gleiche Fall im Jahre 2009: Die Tante hat ihr Haus übergeben oder wäre in 2009 verstorben und ihr Neffe Alleinerbe. Hier hätte sich jeweils eine Erbschaftsteuerbelastung in Höhe von 84000 Euro ergeben (300 000 Euro abzgl. Freibetrag von 20000 Euro x Steuersatz 30 Prozent). Agnes Fischl, Fachanwältin für Erbrecht und Steuerberaterin der Kanzlei Convocat aus München empfiehlt hier: "Liegt dieser Sachverhalt tatsächlich vor, so ist in jedem Fall anzuraten, gegen den Erbschafts- oder Schenkungssteuerbescheid Einspruch einzulegen."
Denn gegen die Reform des Erbschaftsteuergesetzes ist inzwischen das Bundesverfassungsgericht angerufen worden. Es klärt die Frage, ob die Besteuerung der Personen der Steuerklasse II (also dieses Falles) verfassungsgemäß ist. "Da dürfte in der Folge auf die Finanzgerichte noch viel Arbeit zukommen", prophezeit Steuerexpertin Fischl.
Begüterte können seit der Reform durch gezielte Schenkungen besser sicherstellen, dass das Vermögen tatsächlich bei denen landet, für die es gedacht ist. Bis 2009 wurden Schenkungen im späteren Erbfall bei der Verteilung der Erbmasse zu 100 Prozent mit berücksichtigt, wenn sie nicht mehr als zehn Jahre zurück lagen. Damit wollte der Gesetzgeber verhindern, dass der Erblasser bedeutende Vermögensteile vorher verschenkt und so versucht, mögliche Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten zu vermindern (Paragraf 2325 BGB). "Über den Donationen des Erblassers schwebte somit für den gesamten Zeitraum von zehn Jahren das Damoklesschwert des Pflichtteilsergänzungsanspruchs", sagt der Aachener Fachanwalt für Erbrecht, Klaus Becker.
Eine Schenkung findet künftig für die Berechnung des Pflichtteils jährlich immer weniger Berücksichtigung, je länger sie zeitlich zurückliegt (Abschmelzungsmodell). Beispiel: Lag eine Schenkung nur ein Jahr vor dem Erbfall, wird sie voll berücksichtigt und bei der Verteilung des Erbes mit eingerechnet. Im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im fünften Jahr zu 5/10 usw.
Dies bedeutet für alle Beteiligten mehr Planungssicherheit. Nach zehn Jahren bleibt die Schenkung komplett außen vor. "Die Vorteile des neuen Abschmelzungsmodells gelten für alle Schenkungen, egal ob sie vor oder nach der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2010 erfolgt sind, wenn der Erblasser oder Schenker 2010 oder später verstirbt", sagt Anwalt Becker.