Das Leiden auf den Wellen: Was gegen Seekrankheit hilft
Hamburg (dpa/tmn) - „Und immer mit der Windrichtung k...“: Flotte Sprüche gegen die Seekrankheit gibt es viele. Die vergehen dem Sprücheklopfer aber schnell, sobald es ihn selbst erwischt.
Weiß wie eine Wand und ein leichter Grünstich um die Nase - wer so aussieht und zur Reling eilt, den hat es voll erwischt: Die Seekrankheit hat zugeschlagen. Eins sollten sich die Betroffenen aber vor Augen halten, rät Martin Dirksen-Fischer, Leiter des Hafenärztlichen Dienstes in Hamburg: „Es geht wieder vorbei.“
„Man sagt, neun von zehn haben das irgendwann mal in ihrem Leben“, erklärt er. Schämen brauchen sich Betroffene deshalb nicht, wenn ihnen das Schaukeln aufs Gemüt und den Magen schlägt.
Die Seekrankheit zählt zu den sogenannten Kinetosen, den Bewegungskrankheiten. Die kann Menschen auch in Bussen, Autos oder Flugzeugen erwischen. Seekrank wird man, weil es einen sogenannten Sensory Mismatch gibt, erklärt Prof. Andreas Koch vom Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine. Das, was die Passagiere in ihrer Kabine sehen - nämlich einen starren Raum, passt nicht zu dem, was sie fühlen - also den Bewegungen der Wellen.
„Wenn jemand solche Differenzen hat, kann der Körper das nicht so gut ab“, sagt Dirksen-Fischer. Am Anfang entsteht Unwohlsein. Aufstoßen, Druckgefühl, Blässe und Müdigkeit seien ebenfalls typische Symptome für die erste Phase der Seekrankheit, beschreibt Christian Ottomann, Leiter der Schiffsarztbörse, die ärztliches Personal für maritime Einsätze vermittelt.
„Dann kommt es zur Übelkeit“, erklärt Ottomann, der selbst ein Jahr als Schiffsarzt im Einsatz war. Denn der Körper reagiere auf die unstimmigen Eindrücke mit Stress - und schütte Stresshormone aus, sagt Koch. Eins davon ist Histamin: Ist zu viel davon im Körper, sind Übelkeit und Erbrechen die Folge. Eine Gruppe von Medikamenten, die man gegen Seekrankheit verschreibt, sind deshalb auch die Antihistamine - in der Regel in Form von Tabletten oder von Kaugummis, erläutert Koch.
Zu einer ganz anderen Gruppe von Medikamenten zählt das Scopolamin, das unter anderem Bilsenkraut und Stechapfel enthält. Es wirke leicht beruhigend und hemme den Brechreiz, erklärt Koch.
Neben den Medikamenten gibt es auch ein natürliches Mittel, dass Seekranken immer wieder empfohlen wird: Ingwer. Es soll auf das Brechzentrum wirken, erläutert Koch. Gut ist außerdem, sich in Richtung der Schiffsbewegungen zu positionieren, rät Ottomann: bei der Kippbewegung also zum Bug oder Heck des Schiffs, bei der Rollbewegung zur Back- oder Steuerbordseite.
Eventuell helfen manchen Betroffenen auch Entspannungstechniken. Koch rät dazu, sich hinzulegen und zu schlafen: Denn dann sinke der Stressspiegel, und weniger störende Sinneseindrücke werden registriert. Ob Akupressur bei Seekrankheit wirke, dafür gebe es keine wissenschaftlichen Belege, sagt Koch. Und Dirksen-Fischer fügt hinzu: „Ein bisschen Glaube hilft da auch.“
Daneben sollten Betroffene einiges vermeiden: Lesen zum Beispiel, das könne das Unwohlsein noch verstärken, sagt Ottomann. Auch schlechte Gerüche, Müdigkeit oder Schlafentzug seien solche negativen Begleitumstände. Und verzichtet wird besser auch auf histaminhaltige Nahrung wie Thunfisch oder Salami.
Wer noch nie eine Kreuzfahrt unternommen hat und gar nicht weiß, ob er zur Seekrankheit neigt, dem empfiehlt Dirksen-Fischer eine Minikreuzfahrt zur Probe. „Man kann nicht alles vorhersehen, aber manches.“ Und selbst, wer dann ein leichtes Unwohlsein verspürt, kann sich zwei Gedanken auf die große Kreuzfahrt mitnehmen: Nach zwei bis drei Tagen gewöhnt sich der Körper meist daran, und die Seekrankheit hört auf, sagt Koch. Und: Viele der modernen Kreuzer haben heute Stabilisatoren, die die Wellenbewegungen minimieren.