Höhere Gewalt — Bahn muss zahlen
Bei lang andauernden Zugverspätungen kommt die Bahn nicht mehr um eine Entschädigung herum.
Luxemburg/Berlin. Für die Bahnunternehmen in Europa gibt es keine Ausreden mehr. Laut EU-Gerichtshof ist Höhere Gewalt kein Grund, um bei langen Zugverspätungen eine Entschädigungszahlung zu verweigern.
Ab einer Stunde Verspätung steht Kunden Geld zu. Dann muss das Bahnunternehmen mindestens ein Viertel des Fahrpreises zurückerstatten. Bei Verzögerung von zwei Stunden oder mehr wird eine Entschädigung von mindestens der Hälfte des Preises fällig.
Ist die Fahrt für den Kunden „sinnlos“ geworden, kann er unter Umständen volle Erstattung des Fahrpreises verlangen. Für den öffentlichen Nahverkehr, Fernbusse, Flüge und Schiffsreisen gelten aber andere Regeln.
Als höhere Gewalt werden alle Umstände außerhalb des Eisenbahnbetriebs verstanden, die das Unternehmen nicht vermeiden kann. Zum Beispiel Unwetter, Streckensperrungen nach Selbsttötungen und Streiks.
Die Bahn hat 2009 zusammen mit den meisten konkurrierenden Bahnbetreibern ein einheitliches Antragsformular für die Erstattung eingeführt. Es wird von einem zentralen Servicezentrum bearbeitet. Im Formular muss der geplante und der tatsächliche Reiseverlauf angegeben werden, die Art der Fahrkarte und die gewünschte Form der Entschädigung.
Das Fahrgastrechte-Formular erhält man entweder vom Zugbegleiter, an der DB-Information, in den DB-Reisezentren oder im Internet unter www.bahn.de/fahrgastrechte. Auf dem Formular muss die Verspätung vom Zugbegleiter per Zangenabdruck bestätigt werden. Oder aber die Mitarbeiter der DB- Information und in den Reisezentren bestätigen die Verspätung, wenn ihnen die Daten vorliegen. Reicht der Kunde das Formular zusammen mit der Originalfahrkarte im DB-Reisezentrum ein, dann erhält er dort direkt seine Entschädigung.
Bei einer zu erwartenden Verspätung am Zielort von mindestens 60 Minuten und einer planmäßigen Ankunftszeit zwischen null und fünf Uhr hat der Fahrgast das Recht, ein anderes Verkehrsmittel, etwa Bus oder Taxi, zu nutzen. Die Kosten hierfür werden bis maximal 80 Euro erstattet. Dazu muss man zusätzlich das Original der Busfahrkarte oder Taxi-Quittung an das Servicecenter Fahrgastrechte einsenden.
In Streitfällen kann man die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) einschalten. Deren Chef Heinz Klewe sagt: „In der Vergangenheit konnten wir weit mehr als 80 Prozent der Beschwerdefälle von Bahnkunden schlichten.“ 2012 wurden 2112 Schlichtungsanträge gestellt, in diesem Jahr dürften es etwa 2900 sein. Mehr zu den Fahrgastrechten bei der Deutschen Bahn unter bit.ly/pMtHBP.