Hohe Kunst auf hoher See - Malkurs auf der „Mein Schiff 2“

Valletta (dpa/tmn) - Fallschirmspringen, Autoscooter fahren oder Riesenrutschen hinabstürzen: Das ist von gestern. Das ultimative Abenteuer an Bord eines Kreuzfahrtschiffs ist: malen. Vor allem für Passagiere, die an Pinsel und Leinwand zwei linke Hände haben.

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Die Tafel am Eingang des Ateliers ist eindeutig: „Talent nicht notwendig - nur etwas Mut und Neugier“. Da bin ich richtig. Mit Kunst hatte ich noch nie etwas am Hut, in der Schule war mit Zeichnen in der elften Klasse Schluss, seitdem konnte der Bogen um Pinsel und Stifte gar nicht groß genug ausfallen. Doch ist so ein Seetag an Bord eines Kreuzfahrtschiffs nicht der perfekte Zeitpunkt, um alte Ressentiments zu überwinden?

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Auf der „Mein Schiff 2“ gibt es die einzige Malschule an Bord eines Kreuzfahrtschiffs. Eingerichtet ist sie auf Deck 6. Das Kommando führt hier Fredo Ouvrier - klingt schon mal sehr künstlerisch. Brille, lange Haare, trockener Humor. „Nichtmalenkönnen gibt es nicht“, lautet sein Credo, „jeder geht am Ende mit einem schönen Bild nach Hause.“ Am schlimmsten findet er Menschen, die behaupten, sie könnten perfekt malen.

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„Such dir schon mal ein Motiv aus“, rät Fredo und zeigt auf die Bildbände und Kunstbücher, die am Eingang auf einem Tisch liegen. „Denn nur wenn ich weiß, was ihr malen wollt, kann ich euch helfen.“ Bei mir soll es ein Bild aus der Antarktis sein - stahlblauer Himmel Eisberge, Meer - auch wenn draußen gerade Sardinien am Bullauge vorbeizieht. „Gute Wahl“, lobt Fredo, „das kriegen wir hin“.

Auch die jüngste Teilnehmerin des Kurses weiß schon, was sie malen möchte: „Grüne Wiese, blauer Himmel, Blumen, Marienkäfer und eine Sonne“, trägt das sechsjährige Mädchen ihr Konzept vor. Bei anderen Malern sind die Vorstellungen noch etwas vage: „Ich möchte grauen Himmel mit gelben Sternen malen“, erklärt eine Kursteilnehmerin. „Aber Himmel ist doch eigentlich nie grau, du kannst heute Abend ja mal an Deck nachschauen“, hakt Fredo skeptisch nach. „Naja, so kurz vor Sonnenuntergang doch schon mal“, erwidert diese mit einem Lächeln und macht sich dann doch in den Büchern auf die Suche nach einem anderen Motiv.

Dann liegt es vor mir: das leere Blatt - oder genauer gesagt, die leere Leinwand. „Unterteilt eure Bilder in Flächen“, erklärt Fredo während er jedem Teilnehmer die Farben auf einem Pappteller an den Platz bringt. „Das Wichtigste ist der Horizont - dabei immer an den Goldenen Schnitt denken“. Davon habe ich schon mal gehört: zwei Drittel - ein Drittel, das ist das richtige Verhältnis. Mit dem Bleistift wird zunächst eine Linie gezogen. Das war noch die einfachste Übung - zumal sich rechtzeitig zum Beginn des Malkurses das Schaukeln des Schiffs gelegt hat, das am Morgen noch das Bordhospital füllte. Nun schaukelt nur noch ab und zu leicht das Wasser im Becher, in dem der Pinsel ausgewaschen wird.

Dann geht es an den Himmel. Mit einem breiten Pinsel verteile ich die unterschiedlichsten Blautöne auf dem oberen Teil der Leinwand. Immer wieder kommt Fredo vorbei, erklärt, mit welchem Pinsel welche Farbe wo aufgetragen werden muss. Nach dem Himmel geht es ans Wasser, dann an die Wolken. „Mit Weiß hier so tupfen und dann Kreise machen“, erklärt Fredo. Bei ihm sieht es ganz einfach aus, meine ersten Versuche erinnern jedoch eher an ausgefranste Fußbälle. „Das Gute an Acryl ist, dass man alles wieder übermalen kann“, beruhigt Fredo, während die Wolken auf der Leinwand immer mehr Ähnlichkeit mit Wolken in der Wirklichkeit annehmen. Und wie lautet doch Fredos wichtigste Anweisung: „Die höchste Tugend eines Malers ist Geduld.“

Während die Farbe trocknet, schweift der Blick über die Bilder, die im Atelier ausgestellt sind. „Das sind die Werke von selbst ernannten Nichtkünstlern“, steht auf einem Schildchen. Delfin vor Sonnenuntergang, gelbe Strände vor blauem Meer. Offenbar haben sich die meisten Hobbykünstler von der Umgebung inspirieren lassen. „Nicht schlecht, vielleicht wird ja doch noch ein Künstler aus mir“, denke ich. „Das sieht ja toll aus“, meint auch die Dame am Nebentisch - ein leichter Frauenüberschuss ist bei den Malkursen übrigens nicht zu leugnen. Noch fehlen aber die ganzen Eisberge. „Sollte ich sie lieber weglassen? Vielleicht wird damit alles nur schlimmer“. Aber das sieht Fredo anders: „Da kann nichts passieren“, sagt er und zeigt, wo die Linien verlaufen müssen.

Mittlerweile hat sich das Bordatelier gefüllt. Immer mehr Schaulustige sind hereingekommen - auf dem Weg vom Nachmittagskaffee auf das Sonnendeck oder vom Fitnessstudio in die Bibliothek.

Nach gut zwei Stunden ist das Kunstwerk fertig - und Sardinien passiert. Bis zum Ende der Reise wird es wie alle anderen in der Galerie der Malschule ausgestellt. Am letzten Tag der Reise gibt es traditionell eine Finissage. Da stoßen alle erklärten Nichtkünstler noch einmal mit einem Glas Sekt an - auf sich, auf Fredo, auf ihr Werk oder auch auf das Überwinden alter Ressentiments.

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