Aktivurlaub in Cinque Terre
Vernazza/Levanto (dpa/tmn) - Cinque Terre ist kein Geheimtipp mehr. Auf den Wanderwegen drängen sich jedes Jahr Millionen von Touristen. Doch wer seinen Urlaub aktiv gestaltet, kann eine prächtige Unterwasserwelt sehen - und helfen, das Welterbe Cinque Terre zu retten.
Dahin fahren, wo alle sind? Wo sich Deutsche, Japaner und Amerikaner auf die Füße treten? Nach Cinque Terre an der Riviera di Levante? Ja, unbedingt! Denn die Küste der fünf weltberühmten Dörfer ist immer noch zauberhaft. Doch wer ihre Schönheit erleben will, muss sich um sie bemühen und aktiv werden: auf Wanderpfaden hoch über dem Meer, beim Mitarbeiten in den steilen Weinterrassen oder beim Tauchen unterhalb der Klippen.
Morgens um Sieben gehört der Aussichtspunkt am Kap von Punta Mesco noch den Smaragd-Eidechsen und der Ziegenherde, die sich nahe an den Klippen durch die niedrigen Büsche der Macchia frisst. Wandergruppen sind noch nicht in Sicht. Unten in der Bucht scheint der Strand von Monterosso al Mare im Morgenlicht. Nach Süden hin, zur Spitze der Halbinsel bei Portovenere, verlieren sich die bis zu 800 Meter hohen Ausläufer des Ligurischen Apennin im Dunst. Dort liegen die anderen vier Dörfer der Cinque Terre, der „Fünf Länder“: Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore.
Verbunden sind die abgelegenen Orte durch Pfade, die oberhalb der Dörfer durch die Berge und Weinterrassen führen. Vom Aussichtspunkt über Punta Mesco geht es bergab nach Monterosso al Mare. Dort schließt sich der „Sentiero Azzurro“ an. Der auf Karten blau markierte Küstenwanderweg 2 ist wahrscheinlich der bekannteste Trampelpfad Italiens. Über neun Kilometer führt er auf und ab - durch Weinberge, Olivenhaine und entlang der Steilküste, wo Ginster und Kakteen wachsen. Hinter jeder Biegung taucht das intensiv blaue Mittelmeer auf - oder eines der Dörfer.
Mit den bewaldeten Bergen und den sattgrünen Weinterrassen im Hintergrund bilden Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore die perfekte Kulisse für mediterrane Sehnsuchtsbilder: Mal kleben die ineinander verschachtelten Häuser mit ihren verwitterten bunten Fassaden wie Schwalbennester zwischen den Felsen, mal thronen sie einem Adlerhorst gleich über den Klippen.
Im Innern dieser Hauslabyrinthe schauen alte Männer und Frauen von Sitzbänken aus dem Alltag zu. Katzen dösen in Kellereingängen, während drei Stockwerke höher Frauen zwischen grünen Fensterläden nasse Wäsche zum Trocknen auf die Leine hängen. Die schmalen Gassen führen über viele Treppen hinab zu Häfen, in denen die Wellen gegen bunt bemalte Fischerboote schwappen. Das Wasser in den Häfen ist glasklar und scheinbar ohne Leben. Doch das täuscht.
„Seitdem wir den Nationalpark haben und Küstenfischerei und Unterwasserjagd beschränkt wurden, sind die großen Fische zurückgekehrt“, sagt Dario Ferrari, der seit 30 Jahren die Tauchschule Punta Mesco in Levanto betreibt. „Zackenbarsche, auch Haie. Du wirst sehen.“
Die ligurische Unterwasserwelt kann es in puncto Farbenpracht mit tropischen Riffen aufnehmen: Auf einer Sandebene breitet sich eine Seegraswiese aus. Die grünen Gräser wiegen sich mit den Wellen wie ein Kornfeld im Sommerwind. Dahinter steigt die Felswand an. Sie ist überzogen mit einer lebenden Tapete aus gelben Krustenanemonen und orangefarbenen Schwämmen. Hier und dort ragen Fächer aus roten Hornkorallen ins blaue Freiwasser, wo ein Barrakuda einer pulsierenden Wolke aus silbrigen Sardinen folgt.
Aus Felsspalten lugen Langusten, Oktopusse und Muränen hervor. Wie versprochen, sind auch die im Mittelmeer seltenen Zackenbarsche zu sehen und - tatsächlich - ein Hai: Ein etwa ein Meter langer Katzenhai ruht auf einem Stein.
Auch an Land tragen die Schutzbemühungen Früchte: Die Region, seit 1997 Weltkulturerbe, hat sich zum Vorreiter für nachhaltigen Tourismus gemausert. Autos wurden aus den Orten verbannt. Tagesgäste und Einheimische gelangen mit dem Zug und mit gasbetriebenen Bussen an jeden halbwegs interessanten Ort. Für Unterkünfte, Restaurants und Lebensmittelgeschäfte wurden Umweltsiegel eingeführt.
Wer will, kann selbst Hand anlegen und so die Folgen der Landflucht eindämmen. Als der Tourismus ein sicheres Einkommen versprach, wollten sich viele Winzer nicht mehr in ihren Weinbergen mühen. Die Trockensteinmauern zerfielen, die steilen Weinterrassen rutschen ab, ganze Hänge wurden instabil.
Initiativen wie „Protect the cinque terre“ mit Sitz in Vernazza haben aus der Not eine Tugend gemacht: Gäste sollen für zwei, drei Tage zu Weinbauern werden und täglich ein paar Stunden in den Weinbergen die Steinmauern instand setzen. Für die Plackerei gibt es das, was vielen Tagestouristen verborgen bleibt: Bei geführten Touren Einblicke in das Alltagsleben der Cinque Terre. Und abends bei Wein, Fisch und Pasta entspannten Kontakt zu den Vernazzesi.