Das Abenteuer Haustausch: Eine Familie wagt's
Berlin (dpa) - Urlaub machen für lau, in einer schönen Wohnung, vielleicht sogar am Meer: Das ist die Idee hinter dem Haustausch übers Internet. Doch die Deutschen sind zögerlich, geben doch viele ihre eigenen vier Wände ungern her.
Es ist eine Mischung aus Abenteuer und Sparurlaub, wenn Familie Dusi-Schütz im Sommer ihre Wohnung für zwei Wochen tauscht. Von Marienheide im Rheinland geht es in die Nähe von Valencia. Das Mittelmeer ist dort nicht weit und die Terrasse 70 Quadratmeter groß. „Da sagt man nicht nein“, meint Mutter Regina.
Gefunden haben sich die Deutschen und die Spanier über die Online-Plattform Haustauschferien.com. Dort können Reiselustige einen Steckbrief ihres Hauses, ein Kurzporträt von sich selbst und ihre Wunschreiseziele hinterlassen - in der Hoffnung, dass sich ein Tauschpartner findet. Das kostet bei haustauschferien.com 80 Euro im Jahr, beim ähnlich aufgebauten Wettbewerber Homelink.de 140 Euro.
Für die Dusi-Schützes wird es ein Urlaub der ungewohnten Art. Einer ohne Hotelzimmer, in denen täglich Handtücher und Bettwäsche ausgetauscht werden, ohne Pool, ohne Zimmerservice. Dafür aber hoffentlich: abenteuerreicher und vielleicht auch ein bisschen authentischer. Das jedenfalls ist das Versprechen des Portals „Haustauschferien.com“, und das verspricht sich nun auch die Familie.
Per Mail oder Telefon nehmen potenzielle Tauschpartner Kontakt miteinander auf, regeln die Modalitäten. Und Menschen, die sich vorher nicht kennen, lernen viel übereinander: Welche Bücher gelesen werden, welche CDs im Schrank stehen, ob der Staub von Monaten unterm Sofa liegt oder ob alles steril gehalten wird. Ein Urlaub mit Charme und „der Möglichkeit, eine Idee davon zu bekommen, wie in einem fremden Land wirklich gelebt wird“, wie Regina Dusi-Schütz sagt.
Selbst bezahlt werden müssen An- und Abreise sowie Verpflegung. Die Unterkunft ist kostenfrei - auch dann, wenn eine Familie das Glückslos greift und aus der deutschen Provinz für einige Wochen in eine Villa mit Meerblick nach Australien reisen darf. „Man staunt, was möglich ist. Oft wollen gerade Wohlhabende aus Übersee mal ins deutsche Nirwana, um das Leben dort authentisch zu begreifen“, sagt Jürg Thalmann, Geschäftsführer von haustauschferien.com.
Mitbringen müssten die Menschen in erster Linie Vertrauen und die Bereitschaft, sich zu öffnen, statt im Urlaub auf Abschottung zu setzen. Die Dusi-Schützes haben beides.
„Man hat normale Nachbarn, die immer da wohnen“, schwärmt die 48-jährige Mutter Regina, die mit Mann (55), Sohn (19) und Tochter (17) in der kleinen Gemeinde Marienheide nahe Köln lebt. Im Familienkreis beratschlagte man - die Entscheidung fiel einstimmig. Des Abenteuers Haustausch wegen kommen auch die beiden Kinder noch einmal mit in den Familienurlaub.
Die Lust aufs Abenteuer muss größer sein als die Angst vor Diebstahl, vor Zerstörung und dem Verlust der Privatsphäre. Denn Haustauscher gehen ein juristisches Risiko ein: Es werden keine Verträge abgeschlossen. Für Ulrich Reinhardt, Tourismusforscher von der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg, ein Argument dafür, dass Tauschurlaube in Deutschland kaum mehrheitsfähig werden dürften. „Das Haus wird bei uns als Heiligtum verstanden.“
In der Tat findet der Trend hier nur langsam Anhänger. Nur knapp 500 der weltweit 40 000 Mitglieder von haustauschferien.com kommen aus Deutschland. Insgesamt gibt es hier rund 1000 Haustauscher.
„Die deutsche Gruppe der Tauschurlauber wird in den kommenden Jahren mit der immer stärkeren Bedeutung des Internets zwar noch anwachsen - allerdings in Maßen“, glaubt Tourismusforscher Reinhardt. Tauschurlaube seien nicht vergleichbar mit etablierten Urlaubsformen wie dem Kreuzfahrt- oder Großstadttourismus, dafür fehlten die Voraussetzungen.
„Fast jeder stolze Hausbesitzer in Deutschland ist finanziell schon mal nicht darauf angewiesen“, sagt Reinhardt. Nachteil sei auch, dass Tauschurlauber schon Monate im Voraus in die Details der Urlaubsplanung einsteigen müssten. Als Motive blieben Reize wie Abenteuerlustigkeit - „die meisten aber verbinden mit Urlaub vor allem Ruhe und Entspannung“.
Auch Thalmann hat inzwischen erkannt, dass „die Deutschen reservierter sind“. Viele Amerikaner, aber auch Italiener und Spanier stünden dem Abenteuer offener gegenüber. „Da können sich die Deutschen noch ein bisschen was abschauen“, meint er.