Ostsee-Ferienhäuser: Wenig Mut und viel Klischee
Lauterbach/Schwerin (dpa/tmn) - Ferienwohnungen sind die beliebtesten Unterkünfte in Mecklenburg-Vorpommern - bei Urlaubern. Die Architektenkammer ist mit den Anlagen weniger zufrieden. Sie beklagt einen Wildwuchs an Billigbauten.
Doch es ginge auch anders.
Der Ort verheißt Stille: An der Zimmerdecke spiegelt sich das Wasser. Ein leises Plätschern der Wellen säuselt den Urlauber auf der Terrasse des schwimmenden Ferienhauses in den Halbschlaf. In Lauterbach an der Südküste Rügens macht der Feriengast nicht Urlaub am Wasser, sondern mittendrin - in kubischen, holzbeplankten Ferienhäusern, die auf Betonpontons schwimmen. Oder in Pfahlhäusern mit grünen Dächern, die aus dem Wasser ragen. Der hauseigene Swimmingpool ist das Meer, in das direkt vor dem Frühstückstisch eine Leiter führt.
Die Idee vom Urlaub auf dem Wasser hat der 37-jährige Till Jaich zusammen mit seinem Vater Ingo verwirklicht. Er setzt auf ökologische Baustoffe, gehobene Ausstattung und eine CO2-neutrale Energieerzeugung durch Sonne und ein Blockheizkraftwerk, das aus einer Biogasanlage gespeist wird. Gerade hat er vier Millionen Euro investiert und die Anlage erweitert.
Ferienhausanlagen wie diese sind Leuchtturmprojekte, die auch bei Fachleuten Anerkennung finden. Doch es gibt auch viele gesichtslose Anlagen in der dritten Reihe an vielbefahrenen Durchgangsstraßen. Die Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern beklagt einen zunehmenden Wildwuchs bei Ferienwohnungsanlagen. Sie vermisst bei Investoren ein Bewusstsein für Baukultur. „Man sieht diesen Häusern oftmals an, dass sie billig gebaut wurden, mit Attrappen an den Fassaden, die auch als solche erkennbar sind“, sagt Lutz Braun, Vizepräsident der Architektenkammer.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: „Es gibt Orte, in denen die Verdichtung inzwischen einfach zu groß ist.“ Braun denkt dabei vor allem an die großen Küstenbäder auf Rügen und Usedom.
Wie viele Anlagen in den vergangenen Jahren entstanden und wie viele noch geplant sind, kann auch der Tourismusverband nicht sagen. Es gibt eine große Grauzone, weil nur gewerbliche Ferienunterkünfte mit mehr als neun Betten gezählt werden, wie Verbandssprecher Tobias Woitendorf erläutert. Der Verband schätzt, dass neben den offiziell gezählten 28 Millionen Übernachtungen pro Jahr in Mecklenburg-Vorpommern fast genauso viele auf kleine Ferienhäuser und -wohnungen entfallen.
Zu den 185 000 statistisch erfassten Gästebetten im Land kämen schätzungsweise rund 150 000 Privatbetten, die in keiner Statistik auftauchten. Problematisch sei das bisher nicht, sagt Woitendorf. „Wir müssen aber aufpassen, dass das Verhältnis zwischen Hotels, Pensionen und Ferienhaus- und -wohnungsanlagen nicht kippt.“
Es ist eine Frage der Qualität: Nach Ansicht des Architekten und Stadtplaners Braun fehlt es Investoren oft an Mut, auch beim Bau von Ferienwohnungen Neues zu wagen. „Da wird das Klischeehafte gesucht, das eine gute Rendite einfährt.“ Die Kammer will Investoren ermuntern, kreativer zu sein. Sie plant nun für 2012 einen Workshop auf der Insel Rügen: „Modernes, zeitgemäßes Bauen muss nicht teurer sein.“