Deutschlands größter Reiseveranstalter blickt auf ein turbulentes Jahr zurück und wagt eine Prognose für diesen Sommer „Die Menschen wollen reisen“

Beinahe lückenlose Reisewarnungen für die ganze Welt und trotzdem hofft Deutschlands größter Reiseveranstalter auf ein relativ normales Sommergeschäft. Und das bei einem erneuten Milliardenkredit und einer Beteiligung des Bundes am Konzern in Höhe von 25 Prozent.

Aktuell hat die Tui auch die Malediven als warmes Winterziel im Angebot. Vor allem die Clubanlagen sind zurzeit gut gebucht.

Foto: Gregor Schläger Tui

Was Urlauber wie Veranstalter aus 2020 gelernt haben? Planungen sind so gut wie nicht mehr möglich, Prognosen auch nicht. Und: Reisewarnungen sind keine Reiseverbote.

„Wir fliegen seit Oktober wieder auf die Kanaren und bekommen durchweg positives Feedback“, sagt Aage Dünhaupt, Leiter Unternehmenskommunikation der Tui Deutschland. „Viele Weihnachtsurlauber haben sogar ihren Aufenthalt dort verlängert, weil sie sich dort wohler und auch sicherer fühlen als zu Hause.“ Ein Satz, der bis vor gut einem Jahr kaum verständlich gewesen wäre.

Pauschaltouristen schleppen
so gut wie keine Viren ein

Doch Corona ändert alles. Die Welt steht Kopf, die Reisebranche leidet. „Studien von Centogene haben bereits im vergangenen Jahr gezeigt, dass Reiserückkehrer aus Spanien, den Balearen und Kanaren das Virus nicht einschleppen, wie manchmal von der Politik behauptet wurde. Das ist hauptsächlich über diejenigen passiert, die mit dem Auto aus Anatolien und den Balkangebieten zurückkamen“, sagt Dünhaupt und fügt hinzu: „Wohl niemand ist besser getestet als ein Pauschaltourist, der vor Abflug und dann erneut vor Heimreise einen negativen Test benötigt.“ Von zwei Millionen Gästen konzernweit gab es gerade einmal knapp 160 Urlauber mit einem positiven Testergebnis.

Auch weiterhin bietet die Tui Pauschalreisen an: beispielsweise auf die Kanaren, Balearen, nach Dubai oder auf die Malediven. „Vor 2020 sind Reisewarnungen immer die Ausnahme gewesen. Für Länder mit politischen Unruhen, Krisen, Terroranschlägen wie am 11. September in den USA oder Vulkanausbrüche. Da musste man schnell Urlauber zurückholen, Reisen stornieren und umbuchen. Doch dass es eine generelle, weltweite Warnung gibt, Einreiseverbote und wochenlange Rückholaktionen, das ist für alle neu gewesen.“

Als größter deutscher Veranstalter und weltweiter Konzern mit rund 70 000 Mitarbeitern – davon etwa 12 000 in Deutschland – verfügt die Tui mit Sitz in Hannover über ein funktionierendes Krisenmanagement. Doch das Ausmaß überraschte auch sie. „In Panik geriet zwar niemand, aber anfangs haben wir all unsere Ressourcen in den Rückholaktionen gebündelt. Danach kamen Stornierungen und Umbuchungen, Gutscheinangebote und das tagesaktuelle Bewerten, wer wann wohin reisen kann.“

Viele Reisende blieben 2020 innerhalb Deutschlands und der näheren Umgebung. Im späten Frühjahr liefen dann die Nahziele an, die Fernstrecke blieb schleppend. Griechenland, Portugal, Italien und Kroatien waren die Gewinner in einem sehr ruhigen Sommer. „Zum Winter hin wurden warme Destinationen gebucht“, sagt Dünhaupt, und das halte auch aktuell an. „Wir haben unsere eigenen Hotels weltweit und können anhand der Buchungen deren Auslastung planen“, so Dünhaupt. Auch die Planung, welche Häuser geöffnet bleiben, sei anhand der Buchungen möglich. „Wir haben natürlich nur ein begrenztes Portfolio derzeit.“

Vor allem die Clubs wie Magic Life oder Robinson seien gut positioniert. „Gäste sind froh, wenn sie ihre gesamte Freizeit innerhalb einer Anlage verbringen können. Zumal in den Ferienregionen Geschäfte und Restaurants oftmals geschlossen sind.“ Auch die Malediven können derzeit nicht klagen. Sie punkten mit ihren meist kleinen Resorts und der Privatsphäre in den Strandbungalows oder Wasservillen.

Schnelles Reagieren auf
ständig neue Regelungen

„Wir haben zum Ende des vergangenen Sommers den Schwenk vollzogen, bei Reisewarnungen nicht mehr wie früher automatisch die Reisen abzusagen. Die Nachfrage ist da und die bedienen wir. Eine Warnung ist kein Reiseverbot.“ Wer den zusätzlichen Aufwand eines Tests oder mögliche Quarantäneregeln bei der Heimkehr nicht scheut, kann dem Winter entfliehen. „Die Tests werden uns sowieso noch lange erhalten bleiben“, prognostiziert Dünhaupt. „Und eine Pauschalreise bietet derzeit die beste Absicherung überhaupt.“ Eine Herausforderung seien aber die sich ständig ändernden Vorschriften und Regelungen, so Dünhaupt. Da sei nach wie vor schnelles Reagieren gefragt.

Und wie blickt Tui der wohl bald kommenden Impfnachweispflicht der Reisenden entgegen? „Wir als Konzern werden keine Impfregeln vorgeben, aber richten uns natürlich nach den Länderbestimmungen. Das ist aktuell mit der Testpflicht ja auch nichts anderes.“ Wie solche Nachweisdokumente über eine Impfung dann aussehen und in welcher Form eine – digitale – Kontrolle möglich sei, weiß derzeit noch niemand.

Den aktuellen Winter in Österreich und der Schweiz können Hoteliers und Veranstalter wohl abschreiben. Man warte zwar noch auf Februar und März, aber die Hoffnungen schwinden. Auch deshalb hat Tui einen erneuten Milliardenkredit beantragt, der Bund steigt – analog zur Lufthansa – mit 25 Prozent Konzernbeteiligung ein. „Wir wollen so schnell wie möglich die Kredite zurückzahlen, zumal sie ja auch nicht ganz billig sind“, erklärt Dünhaupt. Und damit auch den Bund wieder auszahlen.

Denn obwohl man sich keine Sorgen über eine Einmischung des Staates ins Geschäft mache, wolle man die Beteiligung auf ein Minimum an Zeit befristen. „Wir wollen das Urlaubsgeschäft wieder richtig ins Rollen bringen und sind sicher, dass das spätestens im Sommer 2021 gelingt. Denn der Nachhol-Effekt wird sehr deutlich sein, die Menschen wollen reisen.“