Die Stadt der Sportschule
Zwei Welten begegnen sich: Historische Altstadt und modernes Outlet.
Herzogenaurach hat eine Altstadt, die zum Bummeln einlädt. Neben vielen Fachwerkhäusern gibt es auch ein Schloss. Aber die kleine, urkundlich erstmals bereits im Jahr 1002 erwähnte Stadt in Franken wäre längst nicht so bekannt, wenn es keine Turnschuhe gäbe. Auch die Zahl der Besucher, die nach Herzogenaurach kommen, wäre sicher kleiner. Denn ausgerechnet dort, abseits der Metropolen, wurde ein Stück Wirtschaftsgeschichte geschrieben, das die "Schuhmacher" aus Franken mit ihren Marken adidas und Puma weltberühmt und die Stadt zum beliebten Ziel für Einkaufs-Touristen gemacht hat.
Lange Zeit deutete in der Stadtgeschichte allerdings wenig darauf hin, dass Herzogenaurach einmal in solchen Dimensionen von sich reden machen würde. Das änderte sich erst, als Adolf Dassler anfing, in der Waschküche seiner Mutter an Entwürfen für Sportschuhe zu tüfteln. Seinetwegen gilt Herzogenaurach heute als die Heimat des Markenturnschuhs. Die Olympischen Spiele brachten den Durchbruch Der gelernte Bäcker hatte in den 20er Jahren die Idee, verschiedene Sportler mit unterschiedlichem Schuhwerk auszustatten. Er probierte und probierte, bis die Fußball-, Lauf- und Wanderschuhe herauskamen, die er sich vorgestellt hatte.
Zusammen mit seinem Bruder Rudolf gründete "Adi" die Gebrüder Dassler Sportschuhfabriken - und stattete zu den Olympischen Spielen 1928 und 1932 die ersten Sportler aus. 1936 trugen bei den Olympischen Spielen in Berlin alle Sportler Schuhe aus Herzogenaurach. Sprinter Jesse Owens bekam Rennschuhe mit eigens für ihn geschmiedeten Spikes - und wurde der erste Leichtathlet, der vier Goldmedaillen gewann.
Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Dassler-Brüder von vorne anfangen. Die Amerikaner, die in Herzogenaurach stationiert waren, versorgten sie mit Material aus alten Baseballhandschuhen. Doch die beiden Brüder gingen bald verschiedene Wege. "Am Tag nach der Währungsunion trennten sie sich", sagt Klaus-Peter Gäbelein, Vorsitzender des Heimatvereins der Stadt. Die Belegschaft konnte sich entscheiden, ob sie für Adi Dasslers "Adidas" arbeiten wollte oder für Rudolfs "ruda", später "Puma".
"In den 50er Jahren ist es nur aufwärts gegangen", sagt Gäbelein. Adi Dassler hat der Überlieferung zufolge das Seine zum deutschen Fußball-Weltmeistertitel von 1954 beigetragen: "Er hat bei Sepp Herberger auf der Bank gesessen und den Jungs die Stollen in die Schuhe geschraubt." Das soll den Kickern im Dauerregen von Bern einen entscheidenden Vorteil verschafft haben.
Nach Jahren steiler Aufwärtsentwicklung wurde es schwieriger für die Unternehmen beider Brüder: Zwar liefen deutsche Sportmannschaften entweder mit den drei Streifen oder mit der Raubkatze auf - doch die Konkurrenz nahm zu. Es wurde verschlankt, restrukturiert und es ging wieder aufwärts. "Produziert wird in Herzogenaurach schon lange nichts mehr", sagt Gäbelein. Doch die Hauptverwaltungen der Unternehmen sitzen noch immer in dem 24000-Einwohner-Ort - und beschäftigen mehrere tausend Menschen aus 70 Nationen.
Outlet auf der einstigen amerikanischen Militär-Base
Noch etwas brachten die vergangenen Jahrzehnte der Gemeinde: Outlets. Diese amerikanische Idee, Ware aus der vergangenen Saison und Ausschussware günstiger zu verkaufen, wurde in Deutschland nur sporadisch umgesetzt. Adidas richtete schon früh auf seinem alten Werksgelände einen Fabrikverkauf ein. Das Geschäft war bald weit über die Stadtgrenzen hinweg bekannt. Ein neuer Platz musste her, einer, der gewährleistete, dass sich nicht tausende Autos durch die mittelalterliche Innenstadt zwängen müssen. Der alte Flugplatz der Amerikaner, die "Herzobase", stand leer. Also wurde das Gelände jenseits der Bundesstraße kurzerhand zum "Outlet Central" für adidas, Puma, Nike und diverse andere Marken. Der historische Ort mit seinen zwei Stadttürmen, den Fachwerkhäusern und verwinkelten Gassen allerdings bleibt von den Einkaufstouristen verschont.
Wer dem Shoppen ein Kontrastprogramm entgegensetzen will, hat viele Möglichkeiten: Ein mittelalterliches Rathaus, das früher neben dem Rat und dem Gericht auch den Brot- und Fleischmarkt sowie das städtische Waffenarsenal beherbergte oder das barocke Schloss. Auch Kirchen hat die Stadt an der Aurach zu bieten - überwiegend katholisch. Oder das Pfründner-Spital von 1508, das heute Stadtmuseum ist, und die um 1200 errichtete Marienkapelle. Der moderne Brunnen im Stadtzentrum illustriert die Geschichte Herzogenaurachs bis in das 20.Jahrhundert - inklusive der Turnschuhhersteller.