Ende der Kiffer-Idylle: Amsterdamer Coffeeshops droht das Aus
Amsterdam (dpa) - Amsterdam ist bei Touristen bekannt für Gemälde und Grachten, Huren und Haschisch. Doch jetzt weht ein neuer scharfer Wind in den Niederlanden. Viele Coffeeshops stehen vor der Zwangsschließung.
Fröhliche Popmusik schallt aus dem Lautsprecher. An den Tischen plaudern junge Leute, unter den Jahrhunderte alten Holzbalken spielt ein Pärchen konzentriert eine Partie Schach - über allem schwebt der süßliche Duft von Haschisch. Das Café 420 im ältesten Teil von Amsterdam ist ein Coffeeshop. Die Gäste kommen nicht wegen des guten Kaffees, sondern um sich ganz legal mit Haschisch und Marihuana einzudecken. Oder ungestört einen Joint zu rauchen.
Doch nach über 40 Jahren droht dieser Kifferidylle das Aus. Amsterdam will sein Image als Drogen-Paradies loswerden. Im Zentrum der Stadt werden die Hälfte der 78 Coffeeshops geschlossen, einige sind bereits dicht.
Seit Januar darf Michael Veling sein Café erst um 18 Uhr öffnen. „2016 ist ganz Schluss“, sagt der 58-Jährige und dreht sich eine Zigarette. „Und das nur wegen 20 Metern.“ Denn im Umkreis von 250 Metern einer Schule dürfen nach Vorgabe der Regierung in Den Haag keine Drogen mehr verkauft werden.
Amsterdamer Haschläden sind doppelt von der neuen Anti-Drogen-Linie betroffen. Sie leiden bereits unter dem „ Project 1012“. Unter diesem Namen räumt die Stadt das weltberühmte Rotlichtviertel mit der Postleitzahl 1012 gründlich auf. Im Kampf gegen Geldwäsche und Frauenhandel werden nicht nur 192 Huren-Fenster geschlossen. Auch 26 Coffeeshops müssen dran glauben. Zusätzlich haben 13 Haschläden Pech, weil sie in der Bannmeile einer Schule liegen. Vier wurden bereits geschlossen, der Rest folgt phasenweise bis 2016.
Vor den grün-angestrahlten Fenstern des „Grasshopper“ stehen ratlos ein paar italienische Touristen. Das Restaurant ist zwar geöffnet, doch den Zugang zu dem international bekannten Coffeeshop versperrt eine rote Samtkordel. Unverrichteter Dinge ziehen sie weiter. Schon wittern Straßendealer ihre Chance.
Seit den Restriktionen blüht der Straßenhandel, mahnt der Unternehmer Veling, der auch Vorsitzender des Verbandes der Cannabis-Einzelhändler ist. Er weist auf einige herum lungernde Gestalten in der engen Gasse, dem Oudebrugsteeg. „Sieben Dealer. Und die verkaufen auch illegale Drogen wie XTC oder Kokain.“
Amsterdam beugte sich nur widerstrebend dem neuen Schulkriterium. Denn bisher hatte es praktisch keine Probleme im Umfeld von Schulen gegeben. „Das ist aber der Preis, um das größere Unheil des Hasch-Passes zu verhindern“, sagt Veling. Er spielt an auf den Plan der Mitte-Rechts-Regierung, den Verkauf von Hasch nur noch mit einem Ausweis zu gestatten und für Touristen zu verbieten - der wurde aufgegeben. „Völliger Unsinn“, sagt er kopfschüttelnd zu dem Vorhaben. „Schüler dürfen sowieso hier nicht rein.“
Um die Coffeeshops zu retten kam der Unternehmer nun - typisch holländisch - mit einer pragmatischen, aber auch kuriosen Lösung: Warum nicht die Schule kaufen? Die Inhaber wollen nun mit einem Batzen Geld (ein Betrag wird vornehm verschwiegen) die Privatschule zu einem Umzug verführen. Das Institut steht dem Plan auch wohlwollend gegenüber. Jetzt ist nur die Frage, ob die 13 Coffeeshops genug auf den Tisch legen können.
Sonst müssen auch die rund 150 Mitarbeiter um ihren Job bangen. „Keine gute Aussicht“, sagt der 26-jährige Verkäufer Tia, während er sorgfältig auf einer kleinen Waage eine Art getrocknete Brokkoliröschen wiegt - Marihuana.
Seine elegante Kundin mit Perlenkette und It-Bag hat von der neuen strengen Linie noch nichts gehört. Einmal im Jahr kommt die 50-jährige Amerikanerin nach Amsterdam. An ihren Fingern mit kunstvoll rot gelackten Nägeln blitzen kostbare Ringe. „Wird es verboten?“, fragt sie leicht besorgt, während sie ihre zwei Gramm rein biologischen „White Widow“ bezahlt.
Es blieben noch genügend Coffeeshops geöffnet, versucht die Stadt Amsterdam zu beruhigen. Kiffer seien nach wie vor willkommen. Schließlich sind die Coffeeshops neben den Grachten und Rembrandt eine der Haupt-Attraktionen der Stadt. Schätzungsweise rund 100 Millionen Euro Jahresumsatz machen die Hasch-Läden allein im Zentrum. Weitaus die meisten Kunden sind Touristen. Die sich aber zunehmend wundern über den Umschwung.
Auch viele Amsterdamer verstehen die Welt nicht mehr. Während immer mehr Länder den Hasch-Verkauf legalisieren, geht ausgerechnet der einstige Vorreiter Niederlande in die andere Richtung. Im Kiffer-Paradies weht ein scharfer Wind.