Frankfurt am Main: Auge in Auge mit den Riesen
Deutschlands einzige Stadt mit Wolkenkratzern lässt sich aufs Dach steigen.
Düsseldorf. Am Kaiserplatz lässt Christian Setzepfandt seine Gäste anhalten. „Von hier wird die Entwicklung der Hochhäuser besonders deutlich“, erläutert der Stadtführer. „Schauen Sie nach links: Das Degussahaus aus den frühen 50er Jahren ist gerade mal 50 Meter hoch, schräg rechts vor uns in der Kaiserstraße haben wir das Gebäude der Europäischen Zentralbank. 1977 wurde es erbaut und ragt 148 Meter nach oben.“
Beim nächsten Hochhaus müssen die Besucher den Kopf in den Nacken legen. „Der Commerzbank-Tower hält die Spitzenstellung unter allen Hochhäusern Deutschlands“, erklärt Setze-pfandt. 300 Meter ragt der dreieckige Riese in den Himmel der Main-Metropole. Von 1994 bis 1997 wurde der Gigant nach Plänen des britischen Architekten Sir Norman Foster errichtet.
Doch hinter der genauen Höhenangabe steckt eine kleine Schwindelei, merkt der Kenner der Frankfurter Bauszene schmunzelnd an: „Wegen der Brandschutzbestimmungen können die Banker nur 200 Meter des Wolkenkratzers als Büros nutzen, die restlichen 100 Meter sind Etagen für die Technik und der rotweiße Antennenmast auf der Spitze — das macht dann in der Summe genau 300 Meter“, sagt Setzepfandt.
Seit vielen Jahren geht der Stadtführer mit Besuchern seiner Heimatstadt auf Wolkenkratzertour. Diese führen auch ins Innere des Commerzbank- oder des Main-Towers und dann per Fahrstuhl bis in die oberen Stockwerke.
Rund ein Dutzend Riesen, zumeist mit Büros der Bankenzentralen, stehen auf engstem Raum in Frankfurts Innenstadt zwischen Hauptwache, Hauptbahnhof und Messeturm. Die meisten wurden in den 80er und 90er Jahren errichtet.
Frankfurts Wolkenkratzer sind einmalig in Deutschland. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch das Besucherinteresse ständig ansteigt. „Frankfurt hat neben den Touristen etwa 300 000 Pendler, die aus dem Taunus und dem Odenwald Tag für Tag hierhin zur Arbeit fahren“, berichtet Setzepfandt. „Alle wollen den Frankfurtern mal auf den Kopf schauen.“
Von überall her kommen die Besucher zur Besichtigung der Commerzbank-Zentrale. Als einzige Bank bietet sie an jedem letzten Samstag im Monat gruppenweise kostenlose einstündige Führungen an.
Katrin Stempel von der Veranstaltungsabteilung des Kreditinstituts sagt: „Das Interesse ist gigantisch. Da wir 18 Gäste pro Gruppe durch das Haus leiten, können wir an einem Besuchertag maximal 300 Gäste berücksichtigen.“ Interessenten sollten sich deshalb frühzeitig anmelden. Denn: Die Wartezeit kann bis zu vier Monate dauern. Wer dann jedoch mit einer Besuchergruppe zunächst bis ins 19. Obergeschoss des Bankhochhauses gelangt ist, steht überraschend zwischen den Büro-Etagen im Gartengrün.
Besucherführerin Saskia Witan erläutert: „Die Büroräume kommen ohne Klimaanlage aus. Neun Turmgärten und eine doppelte Außenfassade mit Lüftung sorgen für gutes Klima.“ Jeder der Gärten weist eine andere Flora auf — die Ostseite zeigt Pflanzen aus Asien, die Westseite aus Nordamerika und die mediterranen Gärten auf der Südseite prunken mit Olivenbäumen, Korkeichen, Rosmarin und duftendem Lavendel.
Täglich und ohne Führung können Besucher dem Main Tower der Landesbank Hessen-Thüringen (HeLaBa) in der Nachbarschaft des Commerzbank-Riesen aufs Dach steigen. Die Aussichtsterrasse in 200 Metern Höhe ist — ausgenommen bei starkem Regen oder Schnee — bereits ab 10 Uhr geöffnet.
Und wer als Liebespaar dem siebten Himmel ganz nahe sein will, der kann das in Frankfurt am Main ebenfalls: Jeweils Freitag vormittags überlässt der Hessische Rundfunk sein Fernsehstudio in der 53. Etage dem Frankfurter Standesamt. Und damit den Liebespaaren, die sich in luftiger Höhe trauen lassen wollen.