Haapsalu in Estland - Berühmt für Schlamm und Schals
Haapsalu (dpa/tmn) - Nicht viele kennen Haapsalu. Aber fast jeder weiß, wie es in Bullerbü aussieht. Der Nordhof, der Mittel- und der Südhof reihen sich dort aneinander. Und mittendrin toben Lasse, Bosse, Ole, Inga, Britta und Lisa.
Für das Bild von Bullerbü ist Ilon Wikland verantwortlich - sie hat all die Illustrationen gezeichnet, welche die Kinder von Bullerbü beim Keksebacken, Höhlenbauen oder Blumenpflücken zeigen. Dabei ist Wikland eigentlich gar keine Schwedin. Sie stammt aus Haapsalu. Das ist ein kleiner Ort im Nordwesten Estlands, eine Autostunde von Tallinn entfernt.
Selbst eingefleischte Bullerbü-Fans wissen das meistens nicht. Was durchaus schade ist. Denn Haapsalu ist einen Abstecher wert. Ilon Wikland lebte hier als Kind bei ihren Großeltern, im Alter von 9 bis 14 Jahren, weil sich ihre Eltern getrennt hatten. Dann floh sie 1944 in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs nach Stockholm, wo ihr Vater und eine Tante wohnten und wo sie später auch Astrid Lindgren kennenlernte. „Sie hat die meisten ihrer Bücher illustriert“, sagt Liina Valdmann, die als Pädagogin im Iloni Imedemaa arbeitet. Das ist Estnisch und heißt Ilons Wunderland. Es startete 2006 als Galerie und ist inzwischen viel mehr als das, eine Mischung aus Museum und Mitmachzentrum, in dem man Ilon Wikland näherkommen kann.
Manche alten Gebäude, die in Haapsalu stehen, sehen so aus, als stammten sie aus Astrid Lindgrens Kinderbüchern. Das Holzhaus in der Linda-Straße 2, in dem Ilon Wikland damals lebte, ist auch so eines: flach, mit gelbem Anstrich und kleinem Garten.
Heute ist Haapsalu gleichzeitig Kurort und Kreisstadt und hat gut 10 000 Einwohner. In Estland ist es bekannt für seinen Schlamm, seine Schals und seine Spukgeschichten. Für den Heilschlamm reisten schon russische Adlige im Zarenreich an. Nach Haapsalu zur Kur zu fahren, war im 18. Jahrhundert geradezu schick. Aus dieser Zeit stammen einige der ältesten Holzhäuser. In einem hat Zar Peter I. übernachtet, als er 1715 in Haapsalu war.
Die Schals, für die der Kurort in ganz Estland berühmt ist, sind immer Handarbeit. Eine Ausstellung dazu gibt es in der Karja-Straße 25. Dort findet sich ein Handarbeitszentrum, eine Institution: Das Gebäude, in dem das Zentrum seinen Sitz hat, war in früheren Zeiten das erste Kaufhaus des Ortes. Heute treffen sich dort jeden Dienstag eine Handvoll Vereinsmitglieder zum Stricken.
Und die Spukgeschichten? Die erzählt man sich in Haapsalu schon lange und immer wieder gerne. Sie drehen sich um die Weiße Frau und die Burg am Lossiplats. Sie stammt ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert und ist noch in weiten Teilen erhalten.
Vielen Besuchern bleibt vor allem die Geschichte von der Weißen Frau in Erinnerung: Es heißt, im Mittelalter habe sich einer der jungen Domherren unsterblich in eine genauso junge Frau verliebt und sie sich wiederum in ihn - dabei war Frauen schon das Betreten der Burg verboten. Der Domherr schmuggelte seine Geliebte als Mann verkleidet in den Kirchenchor. Natürlich flog das auf, er landete im Burgverlies, sie ließ der Bischof in die Wand der Kapelle einmauern, die damals noch im Bau war. Und so starb sie dort einsam eines grausamen Todes. Wer in Augustnächten genau aufpasst, kann sie noch immer jammern hören, sagen die Leute.