Kanadas raue Seite: Wildwestferien in Saskatchewan
Saskatoon (dpa/tmn) - Die Deutschen lieben Kanada. Vancouver und Montreal sind beliebte Ziele - aber wo liegt denn Saskatchewan? Und was macht man in der Prärieprovinz? Die Antwort: Wunderbar Urlaub, wenn man auf einiges verzichtet - weil man dafür umso mehr bekommt.
Vegetarier haben in Saskatchewan wenig Spaß. In der Prärieprovinz in Kanada isst man Hamburger und Würstchen aus Bison-, Elch, Hirsch- oder Bärenfleisch, hier wird Tieren das Fell über die Ohren gezogen, um aus ihm Mokassins oder Handschuhe zu machen. Für alle anderen ist Saskatchewan ein Geheimtipp, wo Urlauber den Wilden Westen hautnah erleben, reiten, Kanu oder Hundeschlitten fahren, vorzüglich und deftig essen und vor allem nette Menschen kennenlernen. Wenn man denn Menschen trifft.
Saskatchewan ist fast doppelt so groß wie Deutschland und hat halb so viele Einwohner wie Mecklenburg-Vorpommern. Viele sind Farmer, gut zehn Prozent der weltweiten Weizenernte kommen aus der Provinz. Ein paar sind Cowboys. Die heißen hier Wrangler und kümmern sich jeden Tag um Pferde, Rinder und Touristen.
John scheint alle Klischees eines Cowboys zu erfüllen: Sein Truck, aus dem laute Countrymusik dröhnt, ist ebenso gewaltig wie seine Sonnenbrille oder die Gürtelschnalle. Als er sich etwas behäbig hinter dem Lenkrad herausquält, fällt hinter ihm fast die Gitarre aus dem Wagen. Doch im Umgang mit den Pferden ist er ebenso sorgsam wie mit den Touristen.
„Das ist Coco“, sagt er und hilft dabei in den Sattel. „Sie ist friedlich, ihr beide werdet Euch ganz sicher vertragen.“ Es geht raus zu den Bisons, die im Prince Albert National Park noch in großen Herden unterwegs sind. John hat ein Auge immer bei den Touristen, das andere auf dem Boden. „Bison track“, sagt er und deutet auf eine frische Hufspur im Lehm. Wenig später bestätigt ein noch feuchter Fladen, dass die Reiter auf der richtigen Spur sind.
John trabt voran und hebt die Hand. Die Gespräche verstummen, gleich ist das Grüppchen auf der Long Meadow. Gespannt schauen alle um die Büsche - und sind enttäuscht. Keine Bisons. Ein paar Rehe beäugen neugierig die Besucher, am Waldrand ist ein Hirsch zu sehen, sogar ein Stinktier wackelt durch die Wiese. Mehr Wildtiere, als die meisten je auf einem Haufen gesehen haben - aber eben keine Bisons.
Zweiter Versuch, diesmal mit dem Pferdewagen. Rancher Gord Vaadeland hat seinen Vater Reuben mitgebracht, der fröhlich vom Kutschbock lächelt. 78 Jahre alt ist er, der erste aus der norwegischen Vaadeland-Familie, der in der neuen Welt geboren wurde. „Heute klappt's“, sagt er munter und rumpelt mit dem Wagen los.
Nach eineinhalb Stunden kommt die kleine Schar wieder auf der Long Meadow an - und hat wieder kein Glück. „Noch ist der Tag nicht vorbei“, murmelt Reuben und unterhält sich mit den Touristen mit ein paar Brocken Holländisch oder Deutsch oder Schwedisch oder was die Gäste sonst mal mitgebracht haben. Gord ist derweil vorausgeritten und kommt nach einer Weile im Galopp zurück: Bisons!
Vorsichtig schleicht sich die Gruppe durchs Unterholz - und plötzlich sind sie da. Wie ein schwarzer Fleck steht die Herde auf der Wiese, den Kopf gesenkt und eng beieinander. Nur ein paar Bullen blicken prüfend in die Gegend.
„Bisons haben ein sehr gutes Gehör und einen noch besseren Geruchssinn“, flüstert Gord. „Aber ihre Augen sind eine Katastrophe. Nicht bewegen, ganz still!“ Minutenlang grasen die Riesen mit dem gewaltigen Brustkorb friedlich in der kanadischen Prärie. Schließlich hat eines der Männchen doch genug. Langsam setzt sich die Herde in Bewegung und verschwindet im Unterholz - ohne einen Laut. „Knapp 70 Tiere, schätze ich“, sagt Gord, „höchstens 5 Männchen“.
Die Bisons sind der Stolz des Nationalparks. Wem das nicht Kanada genug ist, der kann in Saskatchewan auch Hundeschlitten fahren. Bradley Muir bietet an der Ostseite des Parks Touren von einer Stunde oder auch ein paar Tagen an. Er hält die komplette Ausrüstung bereit, inklusive Daunenjacken. „Die Touristen sitzen im Schlitten und der Führer steht hinten und lenkt. Und wenn unsere Gäste sich das eine Stunde angeschaut haben, ist Wechsel.“ Dann lenkt der Besucher selbst.
Das heißt, das Lenken übernimmt eigentlich der leading dog. Der läuft ganz vorn rechts, manchmal sind es aber auch zwei oder gar vier Führungshunde. Auf ein kurzes „Ha!“, das ist auf der ganzen Welt gleich, steuert der leading dog nach links, wer nach rechts will, muss „Gee!“ rufen. Das ist alles, Zügel gibt es ebenso wenig wie Lenker, nur eine Peitsche, die aber nicht benutzt wird.
Gemächlicher geht es bei Morris McLachlan zu. Sein Vater holte früher mit Booten im Winter Eis aus dem See und verkaufte es im Sommer. Als in den 1970er Jahren auch in diese Gegend Strom und Kühlschränke kamen, transportierte die Familie statt Eis zunächst Parkranger und schließlich Touristen.
„Ich habe hier Menschen aus der ganzen Welt in meinem kleinen Boot“, sagt Morris. Er freut sich über jeden, der aus einem Land kommt, das er noch nicht in seiner Sammlung hat. Die meisten Touristen kämen aus Kanada. „Aber es reisen doch immer wieder Leute 10 000 Kilometer weit, nur um hier unsere Natur zu bestaunen. Da muss man doch gastfreundlich sein.“