Kiwis werden zu Feinschmeckern
Das Land lockt mit grandioser Natur und Outdoor-Action, jetzt wird es auch zur Kulinarik-Destination.
Wellington. „Wir sind so arm, wir borgen bei den Griechen“, witzelt Duncan Forsyth und schaut grinsend auf einen seiner Weingärten. Er ist Teilhaber der Mount Edward Winery und zählt zu den erfolgreichsten Winzern in Central Otago, der jüngsten Weinregion auf der Südinsel. Dabei hatte anfangs niemand an einen Erfolg geglaubt, im kalten Klima einen Spitzenwein zu erzeugen. Kein Rebenland liegt näher an der Antarktis.
In den 1860ern haben in dieser Gegend Tausende Abenteurer Gold gewaschen. Doch die wahre Goldader haben erst Winzer wie Duncan entdeckt. 1997 kamen die ersten Mount Edmont Pinot Noirs auf den Markt.
Bereits bei der International London Wine Challenge 2001 siegte er — der erste Pinot Noir, der nicht aus Burgund kam. Jetzt stehen die Tropfen weltweit auf den Weinkarten von Spitzenrestaurants. Ein wahrer Weintourismus hat sich entwickelt. Denn Mount Edmont ist nur eins von inzwischen mehr als 100 Weingütern in Central Otago. 1987 waren es gerade einmal vier.
Weingüter wie Quartz Reef, Felton Road, Pisa Range, Mount Difficulty und Amisfield zählen zu den Spitzenproduzenten. Amisfield am Lake Hayes ist schon allein wegen Peter Gordons Asian-Fusion einen Besuch wert. Dabei ist Central Otago, 26 Kilometer von Queenstown entfernt, bisher eigentlich für Action, Outdoor und grandiose Naturkulisse bekannt.
Queenstown ist das Einfallstor in den größten Rummelplatz der Welt. Nirgendwo gibt es mehr verrückte Attraktionen: Wildwasser Rafting, Quad-Safaris, Canyoning an aufregenden Wasserfällen, Tandemspringen, im Jetboot durch die Schluchten des Shotover River rasen und nicht zuletzt Bungee Jumping von der Kawarau Bridge — je nach Wunsch mit Eintauchen des Kopfes ins Flusswasser. Auf dieser Brücke begann 1988 mit Alan John Hackett dieser Wahnsinn.
Aber auch der gute alte Dampfer TSS Earnslaw, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert, stößt noch immer seine schwarzen Rauchwolken in den blauen Himmel. Er dampft seit eh und je über den Lake Wakatipu zur Walter Peak High Country Farm, ein Klassiker auf dem Touristen-Fahrplan mit Schaf-und Hunde-Show, Reiten, Radfahren. Und Weinproben.
Nichts scheint mehr möglich ohne kulinarisches Beiwerk. Wein-Tastings, Wein-Touren, Kochkurse mischen sich unter die Action-Angebote. Selbst beim Bungee Jumping an der Karawau-Brücke feiern zwei durchaus unterschiedliche Rauschmittel eine friedliche Koexistenz. In der Freefall Wine Bar im Bungee Center oder im Winehouse & Kitchen gleich nebenan lockt der Rebensaft. Die Kiwis, wie sich die Neuseeländer nach dem hühnergroßen Wappenvogel nennen, mutieren zu Feinschmeckern. Nicht nur um die Touristen-Hochburg Queenstown.
Die Reise ans andere Ende der Welt mit seinen üppigen Farnwäldern, sattgrünen Grashügeln, schneebedeckten Berg-und Vulkangipfeln, brodelnden Geysiren, goldgelben Ginsteralleen, unzähligen Wasserfällen, Flüssen und Seen sowie malerischen Meeresbuchten lässt sich bestens mit kulinarischen Genüssen verbinden.
Wer mindestens drei Wochen Zeit hat und beide neuseeländischen Inseln besuchen will, organisiert die Reise am besten als One-Way-Trip zwischen Auckland im Norden und Christchurch im Süden.
Aotearoa, das Land der langen weißen Wolke, wie es die Maoris nennen, ist nur ein Drittel kleiner als Deutschland. Christchurch mit internationalem Flughafen und Niederlassungen aller Auto- und Wohnmobilvermietungen eignet sich als Ausgangspunkt.
Nach Queenstown macht auch Marlborough im Norden der Südinsel mehr und mehr mit Gaumenfreuden von sich reden. Für die meisten war das pittoreske Fleckchen Erde mit dem Städtchen Blenheim als Mittelpunkt nur eine Durchgangsstation zwischen dem Fährhafen Picton und dem Whale-Watching-Zentrum Kaikoura.
Marlborough hat sich zum größten Rebenland Neuseelands gemausert. Die meisten Weingüter, berühmt vor allem für hochklassige Sauvignon Blancs, haben ihre Tore für Besucher geöffnet. Traditionsgüter wie Montana, Nautilus oder Cloudy Bay, aber auch Aufsteiger wie Hans Herzog Estate oder Yealands Estate reihen sich fast nahtlos aneinander.
Yealands im Awatere Valley ist mit 1000 Hektar Neuseelands größtes Weingut. Hier grasten vor wenigen Jahren noch Schafe. Peter Yealands hat zuvor sein Geld mit Muschelfarmen gemacht, bevor er 2008 den ersten Wein erntete.
Wie das maritime Farming funktioniert, können Besucher auf einer Greenshell Mussel Cruise erfahren, die täglich vom nahen Hafen Havelock in den Marlborough Sound startet. Die Anschauungsobjekte werden gleich vor Ort an Bord des Katamarans gekocht und bei einem Glas Sauvignon Blanc verspeist.
Auf den Weingütern Hans Herzog und Allan Scott Twelve Trees Restaurant mitten im Rebenland wird vom Feinsten aufgetischt, was Land und See hergeben. Das grandiose Degustationsmenü mit bis zu sieben Gängen würden europäische Esskritiker wahrscheinlich wortgewaltig beurteilen. Die Kiwis sagen einfach „Yummi“!
So viel Ehrgeiz spornt auch die Genießer-Szene von Wellington an. Die neuseeländische Hauptstadt liegt drei Fährstunden entfernt auf der Nordinsel. Hier zeigen die Kiwis auch beim Thema Kaffee große Leidenschaft.