Marathon auf Mallorca: Flugzeuge kreisen über den Köpfen der Läufer
Marathonlauf in Palma: Eine tolle Attraktion für Sportler, Touristen und Einheimische.
Palma de Mallorca. Nervös sind sie alle: Ein sportliches Maß an Aufregung eint Athleten aus 59 Nationen, die beim 8. TUI Marathon in Palma de Mallorca auf der Sonnenseite des Läuferlebens stehen wollen.
Die einen tänzeln, weil sie das ersehnte Startsignal kaum erwarten können. Andere tippeln, weil der Kampf um die Spitzenposition mitunter schon in der langen Warteschlange vor den Toilettenhäuschen anfängt. Doch Punkt 9 Uhr sind alle Fraktionen erleichtert — in jeder Hinsicht: Der Startschuss fällt, das Abenteuer beginnt, mehrere Tausend Beine setzen sich in Bewegung.
Nur: Vier davon gehen rückwärts. Was witzig aussieht, nehmen die „Abweichler“ äußerst ernst: Die vier Füße, die das internationale Sportereignis verkehrt herum angehen, gehören Thomas Dold und Achim Aretz, die sich unter der spanischen Sonne ein heißes Wettrennen liefern wollen.
TUI hat zum direkten Vergleich gebeten und auch direkt die Richtung vorgegeben: Wetten, dass ein „Promi-Team“ rund um die Sänger Jürgen Milski und Indira Weis im Vorwärtsgang schneller das Ziel erreicht als die beiden Rückwärtsläufer, die sich in ihrer Sportart die Weltrekorde gegenseitig abjagen? Zehn Kilometer sind zu bezwingen — die kürzeste Distanz, die zur Wahl steht.
Um es vorwegzunehmen: Die Rückwärtsläufer werden am Ende auf der Verliererseite stehen. Dass Dold und Aretz die Nummern auf dem Rücken tragen, sorgt schon vor dem Start für Erstaunen.
Außerdem bietet der Streckenabschnitt eins am Hafen eine gute Gelegenheit, das Läuferfeld zu begutachten und dabei auch die „Promi-Sportler“ im Schweiße ihres Angesichts zu sehen: Da es nach fünf Kilometern eine Kehrtwende gibt und es auf selber Strecke zurückgeht, sieht man sich früher oder später wieder.
Wer sich lieber auf die eigenen Beine konzentriert, weiß, dass sich nach zehn Kilometern die Spreu vom Weizen trennt. Dann sind die Ersten im Ziel, während sich andere gerade erst warmgelaufen haben: Nach zehn Kilometern biegen die (Halb-)Marathonläufer in Richtung Altstadt ab. Im Zick-Zack-Kurs zu geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeiten.
Passeig La Rambla, Plaza Major, Kathedrale La Seu: Die Veranstalter preisen den Lauf um Palmas Wahrzeichen als „den schönsten Insel-Marathon der Welt“. Und immer mehr Läufer wollen prüfen, ob der Titel hält, was er verspricht. Wohl wissend, dass keine persönlichen Bestzeiten zu erwarten sind, weil die sportliche Form der Stadtbesichtigung durch enge Gassen führt. Dafür lässt die Kulisse das Läuferherz permanent höher schlagen: Wo hat man schon auf Schritt und Tritt so viel Abwechslung?
Der erste Teil führt die Läufer zur Hafenpromenade und zu den Jachten. Weiter geht’s durch Einkaufsgassen, in denen man sich an den Schaufenstern schon einmal überlegen kann, mit welchem Mitbringsel man sich nach dem Marathon belohnen könnte.
Wer bei Kilometer 20 gedanklich schon im Pool ist, sollte sich allerdings wohl eher für den Halbmarathon entscheiden. Kurz nach der Kathedrale teilt sich erneut die Strecke.
Nur die Härtesten kommen danach an den Strand: Die Marathonis zieht es Richtung S’Arenal. Wer (noch) kann, genießt die Aussicht, hat das Rauschen des Meeres im Ohr und den Strand im Blick. Die Atmosphäre hat auch Auswirkungen auf den Laufstil: Die meisten Teilnehmer sind keine Rempler, sondern selig, wenn sie kurz innehalten und den Moment festhalten können.
Die Britinnen Zara und Hollie laufen lächelnd im Gleichschritt, sammeln Beweise für ihren schweißtreibenden Einsatz und lichten sich gegenseitig vor fast jedem Kilometerschild ab — als ob der Marathon ein Spaziergang sei.
Auch Andrea und Kay aus Hessen haben genug Kraft, um den Fotoapparat zu tragen. Das hessische Paar hat es auf die Flugzeuge abgesehen, die über den Läuferköpfen zum Landeanflug ansetzen.
Während die einen mit Kamera und guter Laune dem ersehnten Ziel entgegenfiebern, sind andere längst angekommen. Achim Aretz zum Beispiel.
Wie kommt man überhaupt auf die Idee, den Rückwärtsgang einzuschalten, wenn die Stoppuhr läuft? „Ich war mal nach einer Studentenparty so müde, dass sich mein Kumpel beim Joggen am Morgen umdrehte und rückwärts lief, weil ich ihm zu langsam war“, verrät Aretz, der inzwischen amtierender Weltmeister im Rückwärtslaufen ist und auch nach dem verlorenen Duell in Palma noch strahlen kann.
Manche Momente sind und bleiben eben unvergleichlich — vorwärts wie rückwärts.