Leckerbissen in Vulkanasche: Pilz-Eldorado La Palma
Santa Cruz de La Palma (dpa/tmn) - Wenn die Pilzsaison in Deutschland vorbei ist, finden Naturfreunde Trost auf La Palma. Auf der Kanareninsel wachsen noch im Dezember Pfifferlinge, Steinpilze und mykologische Seltenheiten.
Eine Expertin erschloss das Pilz-Eldorado.
„Nicht drauftreten - und nichts abpflücken!“ Rose Marie Dähncke passt genau auf, dass Besucher nicht die Pfifferlinge auf ihrem Grundstück ernten. Auch der große essbare Klapperschwamm an der prächtigen Esskastanie und der giftige Pantherpilz bleiben stehen. Die freundlich-resolute Dame ist 85 Jahre alt - und Königin des Pilz-Eldorados von La Palma.
Die grünste der Kanarischen Inseln ist als Reiseziel für Wanderer bekannt. Aber sie ist auch ein Geheimtipp für Pilzsammler. Wenn die Saison in den deutschen Wäldern vorbei ist, kann man hier noch lange Pfifferlinge, Semmelstoppelpilze, Reizker und Steinpilze sammeln. Fachmykologen fliegen herbei, um Seltenheiten zu entdecken, die es in Deutschland nicht gibt. Und bevor die Pilze abends im Ferienappartement gebrutzelt werden, kann man noch baden und am schwarzsandigen Strand sitzen.
„Hauptsaison für Pilze ist Ende November bis Januar“, sagt Frau Dähncke. Die Pilzexpertin und Fotografin war früher Leiterin der Schwarzwälder Pilzlehrschau in Hornberg. Ein Wälzer mit 1200 Pilzen in Farbfotos ist ihr bekanntestes Buch. Seit 1979 lebt sie auf La Palma, in einer Finca mit Orchideenhaus bei San Isidro, weit weg vom Lärm der Hauptstadt, in einem Park mit Lorbeerbäumen, Baumheide und Kastanien.
In mehr als 30 Jahren dokumentierte Dähncke mehr als 1000 Pilzarten auf der Insel. Viele finden sich mit Fotos, Fundgebieten und Kochrezepten auf einer CD in deutscher Sprache. 15 Arten wurden als neu für die Wissenschaft beschrieben. Selbst auf alten Bananenstauden fand Dähncke seltene Pilzarten.
Noch in der Adventszeit folgen ihr die Pilzsucher auf die Vulkaninsel mit ihren weitläufigen Kiefern- und Lorbeerwäldern. Hier wachsen Eukalyptus, wilde Avocadobäume und Drachenbäume, die endemisch sind, also nur auf den Kanaren vorkommen. Die europäischen Laubbäume fehlen dagegen - mit Ausnahme der Esskastanie.
Die herzförmige, grüne Insel ist durch den Gebirgszug Cumbra geteilt, im Westen ist es trockener, im Osten feuchter, im Norden kühler. Jede Gegend hat ihre eigenen Pilzflora. Man braucht ein Auto, um die interessantesten Gebiete über viele Kurven zu erreichen. Und natürlich regenfeste Kleidung, denn es kann eklig nass werden, mit peitschendem Regen und Nebel.
Besonders faszinierend für Wanderer und Pilzsucher sind die Gebiete in den kargen vulkanischen Bergen im Süden. Bei Fuencaliente sind schon mehrmals Feuer über die Hänge hinweggefegt. Die zähen Kiefernstämme blieben im Kern unversehrt und schlagen neue grüne Nadelpuschel aus. Darunter, in der schwarzen Asche unter rostroten Kiefernnadeln, wachsen Reizker, seltene Röhrlinge und oft massenhaft gelbliche Wurzeltrüffel. Die kleinen, gelblichen Kugeln, von den Einheimischen Nacida genannt, sind allerdings kaum verwandt mit den echten Trüffeln.
„Das ist der Pilz der Palmeros, der einzige, den sie ohne Furcht essen“, sagt Frau Dähncke. In der Pfanne gebacken, schmecken die Nacidos lecker, aber etwas quietschig, wie der gebratene Inselkäse. In Restaurants findet man außer der Wurzeltrüffel kaum andere Arten.
Frau Dähncke ist überhaupt unglücklich mit den Palmeros. Jahrelang hat sie Pilzberater ausgebildet, Ausstellungen und Essen mit riesiger Pilzpaella im Wald organisiert - aber niemand nahm den Faden auf. „Keiner hat Interesse, etwas weiterzumachen“, sagt sie streng, mit Resignation in der Stimme.
Umso mehr freut sie sich über Pilzforscher, die sie besuchen, um die einzigartige Pilzwelt der Insel zu untersuchen. Den Mykologen bietet sie kostenlos eine einfache Unterkunft inmitten des Lorbeerwaldes von Los Tilos. Pilzsammler, die kaum das ABC der Pilze beherrschen und Giftiges aus ihrem Korb aussortieren lassen wollen, schätzt sie als Besucher weniger.
In Gefahr schweben unerfahrene Pilzsammler auf La Palma aber kaum. „Die Giftpilzgefahr ist nicht groß.“ Die tödlichen grünen Knollenblätterpilze etwa gibt es ganz selten. Dafür aber Pantherpilze, Fliegenpilze und den gefährlichen Ölbaumtrichterling am Fuß von Olivenbäumen.
Für Pilzgourmets hat Dähncke ein paar schöne Rezepte parat: Etwa den exotischen Salat mit Rötlichem Gallerttrichter und Grapefruit. Die Gelbliche Wurzeltrüffel empfiehlt sie auf palmerische Art: gegrillt und mit grobem Salz bestreut. Und die Steinpilze? Erst mal finden! Auf dem Weg zur Cumbrecita in der Gegend Riachuelo liegt ein Kiefernwald, in dem nicht nur massenhaft leckere Blutreizker wachsen, sondern auch besonders großhütige Steinpilze.