Nicht auf Erfolgskurs - Weniger Gäste bei Flusskreuzfahrten
Berlin (dpa/tmn) - Schlechte Zeiten für die Flusskreuzfahrt: Die Zahl der Passagiere ist erstmals seit Jahren zurückgegangen. Die Branche leidet unter der erhöhten Mehrwertsteuer und der Krise am Nil.
Dabei wächst die Zielgruppe.
Die Zeiten in der Flusskreuzfahrt waren schon einmal besser. Die Passagierzahlen bei den deutschen Anbietern gingen im vergangenen Jahr auf 461 695 zurück - ein Minus von 5,4 Prozent. Das gab es seit sechs Jahren nicht mehr, zeigt die Kreuzfahrtanalyse, die der Deutsche Reiseverband (DRV) bei der Reisemesse ITB in Berlin vorstellte. Dabei werden Kreuzfahrten eigentlich immer beliebter: So gingen 2012 fast zwei Millionen Deutsche an Bord auf Reisen - mehr als je zuvor. Mit dem Boom bei den Hochseetörns können die Flusskreuzfahrten aber nicht mehr mithalten. Das hat viele Gründe.
Die Kreuzfahrt insgesamt werde weiter zulegen, sagt Richard Vogel, Vorsitzender des Schifffahrtsausschusses im Deutschen Reiseverband (DRV). „Da ist noch Wachstumspotenzial. Auch für die Flusskreuzfahrt.“ Der entscheidende Unterschied sei: „Die Hochseeschiffe werden immer mehr zu einer Destination, die Flusskreuzfahrtschiffe fahren nach wie vor in Destinationen.“
Die Reedereien, die auf den sieben Weltmeeren kreuzen, brennen geradezu ein Feuerwerk an Innovationen ab: Norwegian Cruise Line beispielsweise stellt in diesem Jahr mit der „Breakaway“ ein Schiff in Dienst, das die erste Salzgrotte auf hoher See bietet und einen Aqua-Park mit Wasserrutschen, die den freien Fall in die Tiefe ermöglichen. Auf der „Royal Princess“ von Princess Cruises sollen Passagiere auf einem „Sea Walk“ wandeln, einem gläsernen Spazierweg, der über die Reling hinausragt - irre? Ja, vielleicht, aber für viele Passagiere eben auch attraktiv.
Da können die Flusskreuzfahrtschiffe nicht mithalten. Und die Branche macht anders als Aida & Co. nach Experteneinschätzung wenig Anstrengungen, das zu ändern: „Ich sehe nicht, dass sie etwas gegen ihr Langweiler-Image unternehmen“, sagt Prof. Torsten Kirstges. „Die Zielgruppen für Hochsee- und Flusskreuzfahrt entwickeln sich entsprechend auseinander“, erklärt der Direktor des Instituts für innovative Tourismus- und Freizeitwirtschaft (ITF) an der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven.
So sei es in der Hochseekreuzfahrt geglückt, neue Zielgruppen anzusprechen - auch jüngere. In dieser Hinsicht sei in der Flusskreuzfahrt vergleichsweise wenig passiert, sagt Rainer Hartmann, Professor für Freizeit- und Tourismusmanagement der Hochschule Bremen. Statt mit attraktiven Angeboten spezifische Zielgruppen anzusprechen, gebe es ganz überwiegend nach wie vor das Rhein-Allerweltsprodukt, so der Wissenschaftler.
Richard Vogel wehrt sich gegen das Bild vom Stillstand in der Flusskreuzfahrt: „Da passiert eine ganze Menge. Es gibt Gourmettouren auf den Flüssen und Kreuzfahrten kombiniert mit Radfahren oder Golfen.“ Die neuen Flusskreuzfahrtschiffe seien modern und hätten vieles aus dem Hochseebereich übernommen: „Kleine Balkone zum Beispiele und Spa-Bereiche, die mehr sind als eine Sitzsauna.“
Für den Negativtrend bei der Flusskreuzfahrt gibt es ohnehin auch ganz aktuelle Gründe: Guido Laukamp, stellvertretender Vorsitzender des Schiff-Ausschusses, weist vor allem auf die Lage am Nil hin. Wegen der politischen Entwicklung im Land ist die Zahl der Buchungen dort eingebrochen. „Rund die Hälfte des Rückgangs insgesamt ist durch Ägypten erklärbar.“ Die Diskussion um neue Visa-Vorschriften für Russland und um die erhöhte Mehrwertsteuer für Flusskreuzfahrten seien ebenfalls ein Dämpfer gewesen.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Zahl der Gäste wieder steigt. Bei der Entscheidung für eine Flusskreuzfahrt komme der Bequemlichkeitseffekt zum Tragen, ergänzt Rainer Hartmann. „Ich gehe an Bord, buche in der Regel all inclusive, alles ist da, ich brauche mich um nichts zu kümmern.“ Und nicht zuletzt sind die Flusskreuzfahrtanbieter Profiteure der Demografie: Weil die Gesellschaft altert, wird die Zielgruppe immer größer: „Es gibt einfach immer mehr Ältere und vor allem mehr Ältere, die sich Kreuzfahrten leisten können“, sagt Prof. Torsten Kirstges.