Nicht vom Winde verweht - Auf Kajaktour im Wilden Westen Irlands
Galway (dpa/tmn) - Man muss schon eine gewisse Outdoor-Affinität mitbringen, wenn man an Irlands Westküste mit der rauen See in Kontakt treten will. Lust auf eine frische Brise und Spaß am Eintauchen in die Meerlandschaft inklusive.
Und das ist wörtlich gemeint.
Treffpunkt im Wilden Westen. Naturschutzgebiet Connemara im Grenzgebiet der Countys Galway und Mayo. Dort, wo der Bundorragha River in Irlands einzigen Fjord mündet. Der Wind weht. Die Wolken hängen tief. „Keine Angst, der Himmel reißt hier auch schnell wieder auf. Das Wetter ändert sich sowieso viermal am Tag. Und bis Windstärke vier oder fünf ist alles kein Problem“, sagt Maura. „Also raus aus den Klamotten und rein in den Neoprenanzug.“ Und tatsächlich: Der anfängliche, sorgenvolle Blick verfliegt schnell, als die sechs Urlauber in den Kajaks sitzen.
Es ist eine ganz besondere Mischung aus Ruhe und ursprünglicher Kraft, die man bei der geführten Kajaktour durch den Killary Fjord erfährt. Ganz nebenbei gibt es kein besseres Training für die Oberarme. Kurze technische Einweisung, auch korrektes Einsteigen in das Ein-Personen-Kajak will gelernt sein. „Immer auf die richtige Balance und das Lächeln auf den Lippen achten“, ermahnt Maura, und schon kann's losgehen.
Der Blick geht nach vorne in Richtung Atlantik, aber auch steil nach oben. Dorthin, wo man Häuserruinen sieht und terrassenförmige Felder, die erahnen lassen, dass es hier früher Landwirtschaft gab. „Die Kartoffel spielte vor gut eineinhalb Jahrhunderten die entscheidende Rolle“, sagt Maura und erzählt von The Great Famine, der Großen Hungersnot, die Irland zwischen 1845 und 1849 heimsuchte und der rund eine Million Menschen zum Opfer fielen.
Plötzlich sind in Sichtweite die ersten Robben zu erkennen, die sich um die Insel Illanballa in Scharen tummeln. „Sie sind mindestens genauso neugierig wie ihr auch“, erklärt Maura. „Aber trotzdem wollen sie nicht zu nahe an uns ran kommen. Sie halten am liebsten einen Sicherheitsabstand von 10 Metern.“
16 Kilometer lang und bis zu 45 Meter tief ist der Fjord Killary Harbour. Wer eindrucksvolle Wasserfälle und das Naturschauspiel der irischen Westküste in seiner erregendsten Form erleben möchte, ist hier an der richtigen Adresse. Mächtige Gletscher waren zu Werke - aber auch der Teufel höchst persönlich. In Urzeiten sorgte er mit seiner schweren Kette für den markanten Einschnitt in der Gebirgslandschaft. So sagt es jedenfalls die Legende - und Maura, die nichts so leicht aus der Puste und aus ihrem Redefluss zu bringen scheint.
Farmen von Mies- und Venusmuscheln kreuzen den Weg und machen den Kajaktouristen aus aller Herren Länder deutlich, dass viele Einheimische dem Fjord und seinem Reichtum an Fisch und Meeresfrüchten ihr Auskommen verdanken. Woanders leben? Für Maura ein absurder Gedanke. „No chance“, sagt sie und strahlt übers ganze Gesicht. Eins mit der Natur, dem Rhythmus des Wassers und „Wild at heart“, dieses Lebensgefühl würde sie für nichts in der Welt tauschen.
Schon Pause? Nein. Dafür Gelegenheit, sich den ultimativen Kick und jede Menge Glücksgefühle zu holen. Ein wenig Mut braucht es allerdings schon, auch Überwindung, um hochzuklettern und aus knapp zehn Metern Höhe den Sprung von der Klippe ins auch im Sommer kaum mehr als zehn Grad kalte Wasser zu wagen.
Gegen Mittag ist dann der Fjordeingang erreicht. Ein Lunchpaket, das selten so gut geschmeckt hat, wärmender Tee, ein atemberaubender Blick vom Strand auf den offenen Atlantik — und Zeit, sich für den Rückweg ein wenig auszuruhen. Mit dem erhofften Treffen mit Flipper wird es heute nichts mehr. „Schade, in der vergangenen Woche waren viele Delfine hier“, sagt Maura. „Man sieht sie vor allem immer dann, wenn auch Makrelenschwärme in den Fjord schwimmen. Diese Leckerbissen lassen sie sich nämlich nicht entgehen.“
Nach einer sechsstündigen Kajaktour, dem gewonnenen Kampf gegen Wind und Wellen und gut 16 gepaddelten Kilometern brauchen Geist und Seele Zeit, um sich zu erholen. Und was macht der ermattete und gleichzeitig wohlig erschöpfte Körper? „Oberarme sind nicht alles“, lässt Coach Maura augenzwinkernd durchblicken. „Freut euch morgen auf richtigen Bauchmuskelkater.“