Polen: Ritterburgen an der Weichsel
Die Flugverbindung nach Danzig macht Entdeckungsreisen ins Mittelalter gut möglich.
Wir befinden uns im tiefen Mittelalter. Der Deutsche Ritterorden errichtet im heutigen Polen ein Netz von uneinnehmbaren Burgen. Jeder Ritter findet in weniger als einem Tagesritt Schutz hinter massigen Backsteinmauern. Heerscharen von Soldaten zogen seither durch das Land, das Kreuzritter, Schweden, Polen, Preußen und andere Herrscher erlebte und erduldete. Als 1945 die Waffen von deutscher Wehrmacht und sowjetischer Roter Armee in West- und Ostpreußen endlich schwiegen, lag die einstige Ritterherrlichkeit weitestgehend in Schutt und Asche.
Polen hat in dem Land, das nun sein eigen ist, mit großer Kunstfertigkeit und mit viel Respekt vor der Geschichte Wiederaufbauarbeit geleistet. Danzig ist das Einfallstor in die Weichsel-Region. Und bietet in maximal 100 Kilometern Entfernung Ziele von europäischem Rang und historischer Einmaligkeit.
Eine halbe Stunde südlich von Danzig liegt, am linken Ufer der Weichsel, Dirschau (polnisch Tczew). Die Handelsstadt wurde spätestens im 19. Jahrhundert bedeutsam, als zwei eiserne Weichselbrücken den Bahnverkehr Berlin-Stettin-Danzig-Königsberg möglich machten. Gebäude wie Kirche, Rathaus, Postamt und eine bunte Marktfassade geben Zeugnis von solidem Wohlstand der Stadt.
Eine halbe Fahrstunde weiter, in Mewe (Gniew), ist die Ritterburg aufwendig wiederhergestellt: mit einem Glasdach über dem Innenhof, zwei komfortablen Hotelgebäuden und einer Jugendherberge. Ein munteres Unterhaltungsprogramm reicht von Ritterspielen zu Pferde über video-animierte Historie bis zu Geisterstunden und Konzerten.
Fast in Sichtweite, am Ostufer der Weichsel, liegt die Burg Marienwerder (Kwidzyn). Hier residierten bis zur Reformation die pommerschen Bischöfe. Danach kamen holländische Glaubensflüchtlinge (Mennoniten), und zur Preußenzeit — alte Inschriften belegen es — war die Burg über 150 Jahre Gericht und Gefängnis. Heute ist hier ein sehenswertes Museum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt untergebracht.
Wer die eine halbe Fahrstunde nördlich gelegene Marienburg (Malbork) erkunden will, muss Zeit mitbringen. Über drei Wassergräben und durch drei eisenbeschlagene Tore erreicht der Besucher Vor-, Mittel- und Hochschloss.
Die reichsten Leute Europas kehrten hier im 14. Jahrhundert auf ihren Missionszügen ein. Die Gäste wohnten in fußbodenbeheizten Räumen und speisten in Sälen, in die das Essen per Aufzug befördert wurde.
Zuletzt bezog Preußen die Marienburg. Ein Blick auf die Speisekarte anlässlich eines Besuchs Kaiser Wilhelms des Zweiten: Kaisersuppe, Steinbutten auf holländische Art, Kalbsrücken garniert, Schinkenauflauf mit Edelpilzen, Straßburger Pudding, junge Enten mit Früchten und Salat, Stangenspargel, Erdbeer-Sahnespeise, Käsestangen und Nachtisch. Und das alles zum Frühstück!
1945 wurde die Marienburg von schweren sowjetischen Geschützen zerschossen, inzwischen aber mit Mitteln der Vereinten Nationen (Unesco-Weltkulturerbe) zu neuem Glanz aufgebaut.
Ein Schicksal, das Marienburg mit Danzig teilt. Nachdem die Kämpfe beendet waren und 30 Prozent der baulichen Pracht in Trümmern lagen, gaben die sowjetischen Eroberer der Metropole den Rest. Auch hier ist in bewundernswerter Weise aufgebaut worden, wird unermüdlich weiter restauriert, ist wieder Leichtigkeit eingekehrt. Wer das erleben will, muss dafür mehr allerdings mehr als nur einen Tag Aufenthalt einplanen.