„Slow down“ ist das Motto der Region
Entschleunigung und Genuss-Skilauf statt protzender Promis: Gstaad lockt mit seinem verborgenen Luxus.
Düsseldorf. Die angebliche Langsamkeit der Berner ist sprichwörtlich und wird von den übrigen Schweizern gern belächelt. Dennoch sind die Menschen im feinsten Wintersportort des Berner Oberlands stolz darauf, nicht gerade zu den Schnellsten zu gehören. Gstaad hat die entspannte Gelassenheit sogar zu seinem Markenzeichen erkoren: "Come up and slow down", lautet das Motto im Saanenland.
Die Welt mag sich immer schneller drehen - in dem Promi-Ort südwestlich der Hauptstadt der Schweiz ist die Hektik noch nicht angekommen."Hier oben wird man so wunderschön ausgebremst", schwärmt Ulrike Muthen. Sie arbeitet als Spa-Managerin in einem Luxushotel und beobachtet den Erholungseffekt der Entschleunigung immer wieder: "Mit jedem Tag werden die Gäste hier entspannter." Weniger ist eben oft mehr, gerade für diejenigen, die schon alles haben. Und von denen gibt es in Gstaad viele, auch wenn sie sich selten zu erkennen geben.
St. Moritz ist für die Promis, die gesehen werden wollen - Gstaad für die Reichen und Schönen, die lieber unbehelligt bleiben. Dieser Vergleich mit dem Nobelort in Graubünden gefällt den Saanen ganz gut. Suggeriert er doch bei allem Glanz und Glamour der Gäste Bodenständigkeit und Unverfälschtheit. Hochadel, Geschäftsleute und Künstler protzen hier nicht. "Von außen sehen die Chalets der Superreichen kaum anders aus als die alten Häuser der Bauern", sagt der deutsche Starkoch Robert Speth, der in Gstaad lebt.
Wegen der strikten Bauvorschriften gibt es nur traditionelle Chalets, wodurch das einheitliche Ortsbild mit seinen zum Teil aus dem 15.Jahrhundert stammenden Bauernhäusern erhalten blieb. "Hinter den einfachen Fassaden der neuen Chalets verbergen sich aber zum Teil wahre Paläste", verrät Speth, in dessen Restaurant "Chesery" sich die High Society zum Schlemmen trifft. Unter manchen Holzhäusern verstecken sich mehrstöckige Tiefgaragen für Sportwagensammlungen und private Kinosäle. "Bis zu 30 Millionen Schweizer Franken kosten die teuersten Chalets", erzählt Erich Baumer, von dessen Restaurant "Sonnenhof" Gäste den vielleicht schönsten Blick auf Gstaad haben.
"Aber wir haben noch viel mehr zu bieten als Gourmet-Restaurants, Luxus-Chalets und Fünf-Sterne-Hotels", betont die Skilehrerin Fiona. Einige Familien kämen Jahr für Jahr, weil Gstaad für sie so günstig sei. Was wie ein Scherz klingt, lässt sich durchaus belegen: Einfache Pensionen, Appartements und der Winter-Campingplatz mit seinen kleinen Holz-Chalethütten bieten auch günstige Unterkünfte. Außerdem fahren Kinder bis zum Alter von neun Jahren im Skigebiet gratis.So bleibt Geld in der Urlaubskasse für ein Käsefondue in einer der vielen urigen Hütten im Skigebiet, wo es genauso geruhsam zugeht wie im Tal. Wilde Pistengaudi mit Après-Ski-Getöse sucht der Gast vergebens. Die vier Skigebiete rund um den 1050 Meter hoch gelegenen Ort bieten zwar 250 Pistenkilometer bis hinauf auf den schneesicheren Gletscher auf 3000 Metern.
Die meisten Abfahrten sind aber leicht bis mittelschwer, und sie bevölkern sich erst am späten Vormittag.Rund die Hälfte der Gäste ist mehr als 50 Jahre alt. "Sie kommen erst gegen 10 oder 11Uhr auf den Berg und kehren nach ein paar Abfahrten schon wieder in eine der Hütten ein", erzählt Fiona. Viele gehen auch gleich zum Langlaufen oder auf den Winterwanderwegen auf den Almen spazieren, wo im Sommer rund 7000 Kühe grasen.Die nächste Einkehrmöglichkeit ist in dem mit Restaurants und Hütten gespickten Saanenland nie weit. Dass Gstaad unmittelbar an die französische Schweiz angrenzt, verleiht der Küche neben den herzhaften Gerichten der Alpen auch französische Raffinesse.
So gestärkt, geht’s dann mit den legendären Schweizer Postbussen, der Pferdekutsche oder gerne auch im Hundeschlitten zurück ins Tal.Gstaad ist einer der wenigen Wintersportorte in den Alpen, in denen es den meisten Gästen gar nicht so sehr auf das Skifahren ankommt. Das wiederum freut die sportlichen Skifahrer: Sie finden oft fast leere Abfahrten vor. In Begleitung von Ski-Bergführern und mit dem unabdingbaren ABS-Lawinenrucksack für den Notfall ausgestattet, geht es außerdem auf unberührte Tiefschneehänge abseits der Pisten.
Wer sich im Iglu-Dorf auf dem Hausberg Eggli in 1550 Meter Höhe einquartiert, kann sogar jeden Morgen auf den ganz frisch präparierten Pisten als erster abfahren.Ein Luxus für Skifahrer, die auch im Eishotel nicht auf Komfort verzichten müssen: Gegen die Kälte in der Nacht helfen Spezial-Schlafsäcke, abends sitzen die Gäste im Restaurant auf warmen Lammfellen zusammen, und zum Aufwärmen steht ein Whirlpool mit 40 Grad heißem Wasser und freiem Blick in den Sternenhimmel bereit.