Stadt der lebenden Götter - Ein Nepal-Crashkurs in Kathmandu

Kathmandu (dpa/tmn) - Wer nach Kathmandu kommt, sucht den Rausch. Die Hippies in Love-Ins und Hanfshops, die Bergsteiger im Himalaya, Kulturtouristen in den vielen Tempeln. Im besten Fall finden sie alle: Gelassenheit.

Kinderschreien, Handyklingeln. Gepäckwagen schieben sich wie Autoscooter durch die Ankunftshalle, die Masse wälzt sich gestikulierend, telefonierend, drängelnd vorwärts. Auf gerade einmal zwei Förderbändern rattert Gepäck aus aller Welt vorbei: dick verschnürte Pappkartons in Waschmaschinengröße, Koffer, ein schicker Seesack. Wer am internationalen Flughafen in Kathmandu landet, braucht Geduld, Gelassenheit - und ein bisschen Glauben. Zumindest daran, dass alles schon so kommen wird, wie es soll. Alles geht auf einmal. Alles kommt und geht. Und auf einmal kommt alles wie von selbst. Ein Nepal-Crashkurs.

Kathmandu, Hauptstadt und mit knapp einer Million Einwohnern größte Stadt Nepals, liegt auf rund 1300 Metern Höhe in einem weiten Talkessel. Die Steine der Königsstadt haben schon viele kommen und gehen gesehen - vor allem, seit sich Nepal Mitte der 1950er Jahre für westliche Touristen geöffnet hat. Einst kamen die Hippies auf der Suche nach dem ewigen Leben - oder zumindest dem Rausch von Drogen und freier Liebe - nun sind es Gäste in dreilagiger Teflonuniform auf der Suche nach dem Rausch der höchsten Berge der Welt.

Die Love-Ins und Hanfshops sind inzwischen verschwunden, der Name Freakstreet ist geblieben. Hier, wo sich erste Westler nach langer Überlandfahrt auf dem Hippie-Trail in einer staubigen Gasse mit Namen Jhochhen Tole niedergelassen haben, hat sich im Gegensatz zu anderen berüchtigten Travellermeilen nicht viel verändert. Es gibt keine Burgerbraterketten, keine durchgestylten Bars. Nepals ehemaliges Aussteigerzentrum ist auf staubig-charmante Art und Weise gestrig.

Der Glaube daran, dass alles kommt wie von selbst, beschleicht schon nach wenigen Tagen selbst die rationalsten Besucher. Denn an wenigen Orten sind die Götter so präsent wie in Nepal. Vor allem der Hinduismus, neben dem Buddhismus prägende Religion, hat seinen Gottheiten ein lebendiges Zuhause in Kathmandu geschaffen. So lebendig, dass sich eine von ihnen sogar täglich Gläubigen und Schaulustigen zeigt.

Der Blick der Kumari, der Mädchen gewordenen Inkarnation der Göttin Durga, soll Glück und Gesundheit bringen. Ein strenger Auswahlprozess bestimmt die amtierende „lebende Göttin“. Bis zu ihrer ersten Menstruation bleibt sie in ihrem Tempelpalast am Durbar Square.

Was Kathmandu so reizvoll macht, sind nicht nur die Tempel und Kulturerbestätten. Nicht die bewegte Vergangenheit. Und nicht die berühmten Besucher. Was Kathmandu zu einem Ort macht, den man nicht nur besucht, sondern der einen förmlich aufsaugt, ist das Leben zwischen Steinen und Legenden. Und die Berge, die die Stadt umringen. Mit viel Glück, den richtigen Winden und womöglich der Hilfe der Götter sieht man von der 365-sten Stufe den Mount Everest, ausgeleuchtet von der untergehenden Sonne. Alles kommt und geht. Manches bleibt.